Über den ersten Platz wird diesmal die Wahlbeteiligung entscheiden

Von Von Christoph Kotanko und Jasmin Bürger   24.Mai 2014

Die Geschichte wiederholt sich nicht. 2009 war die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl 46 Prozent, um 3,6 Prozentpunkte höher als bei der vorhergehenden Wahl. Diesmal wird mit einer sinkenden Beteiligung gerechnet. Zwei Mobilisierungsfaktoren fallen weg.

Es gibt in der ÖVP keinen Zweikampf Othmar Karas gegen Ernst Strasser (der Ex-Innenminister hat inzwischen mit Gerichten Bekanntschaft gemacht). Und es fehlt ein schriller Vogel wie Hans-Peter Martin, der 2009 auf den dritten Platz vorstieß.

"Die Wahlbeteiligung entscheidet am Sonntag über Platz 1", sagt der Politologe Peter Filzmaier zu den OÖNachrichten. Ausschlaggebend wird sein, ob SP-Spitzenkandidat Eugen Freund die roten Sympathisanten mobilisiert – oder ob sie mit ihm weiter fremdeln.

Laut jüngsten Umfragen ist die Volkspartei knapp voran. "Wir sehen gewisse Vorteile für Karas", erklärt Meinungsforscher Peter Hajek. "Die Frage ist, ob die ÖVP das am Sonntag heimbringt."

An einen Durchmarsch der FPÖ glaubt Hajek nicht. "Die Freiheitlichen waren in den vergangenen Wochen stabil, es gab keine Wellen nach oben oder unten. Ihre Klientel fühlt sich von der EU-Wahl wenig angesprochen." Alles deutet auf Platz 3 für die Blauen hin.

Dem gegenüber liegt die FPÖ bei der Sonntagsfrage zur Nationalratswahl anhaltend auf Platz 1.

Sonderfall EU-Wahl

Aber die EU-Wahl folgt eben eigenen Gesetzen – siehe Wahlbeteiligung. Das verbreitete Desinteresse am Urnengang ist für den Politologen Filzmaier "ein Problem, auf das weder die Politik im Land noch die EU einen Lösungsansatz gefunden hat". Ganz nachvollziehbar sei die bewusste Entscheidung der vielen Nichtwähler aus seiner Sicht nicht: "Dass gerade jene, die sich ärgern, dass in Brüssel zu viel entschieden wird, nicht mitstimmen, ist nicht logisch."

Dass die Entscheidung über 18 österreichische Abgeordnete in einem Plenum von 751 Mandataren unbedeutend sei, lässt Filzmaier nicht gelten: "Es wird zwar wahrscheinlich nicht eine einzige Stimme über die Mehrheitsfraktion entscheiden. Aber auch bei einer US-Präsidentschaftswahl haben schon 500 Stimmen den Ausschlag gegeben", sagt Filzmaier.

Was die EU-Wahl aus Sicht des Experten nicht bringen wird, sind große innenpolitische Umwälzungen. Am ehesten könnte es, so Filzmaier, "in der ÖVP zu brodeln beginnen, wenn das Ergebnis wider Erwarten sehr schlecht ausfällt". Strategisch wäre eine Obmann-Debatte aber "ohne Not", zumal auch ein etwaiger Nachfolger Michael Spindeleggers nicht unbeschädigt durch die bis Ende 2015 anstehenden fünf Landtagswahlen kommen würde.

Für die SPÖ sei die Frage, ob sie erste wird, vor allem "symbolisch", sagt Filzmaier – ebenso wie die Entscheidung um Platz vier zwischen Neos und Grünen. "Ich gehe davon aus, dass spätestens am Dienstag die Parteien wieder zur Routinearbeit übergehen."

Eine wichtige Weichenstellung sieht Hajek bei den Neos: Die EU-Wahl ist ihr zweiter bundesweiter Test; falls sie ihr Nationalratsresultat (fünf Prozent) klar übertreffen, wäre das ermutigend für die kommenden Landtagswahlen.

Grafik: EU-Wahlen in Österreich seit 1996

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Das sagen die Umfragen 2014

 

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen gibt es den Umfragen zur EU-Wahl zufolge nicht nur um Platz eins, sondern auch um den vierten Rang. SPÖ und ÖVP tauschten im Match um Platz eins mehrmals die Positionen.

Die jüngste Umfrage von Peter Hajek für ATV (1000 Befragte) sah die ÖVP mit 26 Prozent knapp voran. Stabil hinter der SPÖ (25 Prozent) liegt in allen anderen Umfragen die FPÖ (20 Prozent).

Um Platz vier rangeln Grüne und Neos, auch sie wechselten in den Umfragen immer wieder die Plätze. Zuletzt waren die Grünen mit 12 Prozent knapp im Vorteil, die Neos lagen in der Hajek-Umfrage bei 11 Prozent.

Von den Kleinparteien (Europa anders, BZÖ, Rekos, EU-Stop) hat Europa anders mit zuletzt drei Prozent Chancen. Für ein Mandat sind knapp fünf Prozent nötig.