"Sebastian, du bist ein wahrer Freund Israels und des jüdischen Volkes"

Von Annette Gantner aus Israel   12.Juni 2018

Der Jerusalem Post war es das Titelbild wert: Bundeskanzler Sebastian Kurz (VP) war am Sonntagabend zur Klagemauer gegangen und hatte sich in das Gästebuch eingetragen. Der Besuch der heiligen Stätte sei ein Schritt, den die meisten EU-Staatschefs vermeiden, schrieb die Zeitung. Schließlich befindet sie sich im besetzten Gebiet. Unerwähnt blieb, dass mehrere Kanzler zuvor dasselbe Signal gesetzt hatten.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stimmte dann am Montag eine Lobeshymne an, die selbst Kurz zu überraschen schien. Die Journalisten, die dem Pressestatement nach dem bilateralen Gespräch beiwohnten, hatten zuvor eine Stunde Sicherheitskontrollen von Sprengstoffchecks der Hände bis zu ausgiebigen Befragungen über sich ergehen lassen müssen.

"Sebastian, du bist ein wahrer Freund Israels und des jüdischen Volkes", sagte Netanjahu. Er zitierte Kurz, der von Österreich nicht nur als Opfer, sondern auch als Täter spreche. "Das sind mutige und kühne Worte", erklärte Netanjahu.

Kurz zeige null Toleranz bei Antisemitismus und habe wichtige Aktionen gesetzt: den angekündigten Bau einer Namensmauer, die an die Holocaust-Opfer erinnern soll, die Förderung der Shoah-Forschung sowie das Versprechen, sich als EU-Ratsvorsitzender für Israels Sicherheit einzusetzen.

Kontakte zum Außenamt

FP-Minister werden in Israel nicht empfangen. Er habe aber den Generalsekretär des israelischen Außenministeriums angewiesen, die Kontakte zu Österreichs Außenamt zu intensivieren, sagte Netanjahu. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass die parteifreie Außenministerin Karin Kneissl von dem Boykott ausgenommen wird.

Unterzeichnet wurde gestern auch ein Abkommen von Bildungsminister Heinz Faßmann und seinem israelischen Amtskollegen Avner Shalev. Im Jahr 2000 waren aufgrund der FP-Regierungsbeteiligung die Forschungskooperationen der beiden Länder beendet worden. Sie werden nun wieder aufgenommen.

Mit seiner pro-israelischen Haltung ist Kurz gern gesehener Gast. Der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, die um einen Termin ersucht hatte, ließ Netanjahu ausrichten, er habe keine Zeit. Kurz hat die seit Bruno Kreisky praktizierte Nahostpolitik neu interpretiert. Er besuchte die Klagemauer, nicht aber die von den Israelis erbaute Mauer, die die Palästinensergebiete abtrennt. Üblicherweise fährt ein österreichischer Regierungschef bei einer Israel-Visite auch nach Ramallah. Nicht so Kurz, er traf keine palästinensischen Spitzenpolitiker. Negative Reaktionen folgten.

Botschaft nicht nach Jerusalem

Der Kanzler verteidigte sein Vorgehen damit, dass sein Aufenthalt im Zeichen des Gedenkens stehe und er als Außenminister in Ramallah gewesen sei: "Wir ändern unsere außenpolitische Linie nicht und halten an der Zwei-Staaten-Lösung fest." Österreich werde auch nicht die Botschaft nach Jerusalem verlegen. "Was wir sehr wohl tun, ist, Empathie für ein Land aufzubringen, das von seinen Nachbarn bedroht wird."

Am Abend hielt Kurz eine Rede vor dem American Jewish Committee. Er erklärte unter Beifall, dass Österreich Israels Sicherheit aus "Staatsräson" unterstützt.