Rot-schwarzer Schlagabtausch im neuen Nationalrat

Von Lucian Mayringer   10.November 2017

Als "Feiertag der Demokratie" (SP-Vorsitzender Christian Kern) im "Wohnzimmer der Republik" (Neos-Sprecher Matthias Strolz) und "Chance zum Neuanfang" (VP-Obmann Sebastian Kurz) ließen am Donnerstag Parteichefs als Hauptredner die konstituierende Sitzung des am 15. Oktober neu gewählten Nationalrates hochleben.

Doch schon bei der Wahl des Präsidenten-Trios sollte sich zeigen, dass sich hinter den schönen Worten eine ganz andere Perspektive für die kommenden fünf Jahre ergibt: mit einer deutlich raueren Gangart zwischen den nunmehr fünf Fraktionen.

Video: Am Freitag gehen die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ weiter. Ob es dabei ein erstes Ergebnis gibt, oder ob weiter hinter verschlossenen Türen gesprochen wird, ist offen. Fix ist, dass nicht nur die Arbeitsgruppen, sondern auch die Steuerungsgruppe mit den Parteichefs wieder zusammenkommt:

117 Stimmen für Köstinger

Zwar wurde Elisabeth Köstinger (VP) von 117 der 183 Abgeordneten zur neuen und mit 38 Jahren bisher jüngsten Nationalratspräsidentin gewählt. Das bisher schwächste Ergebnis bei einer derartigen Wahl ließ aber darauf schließen, dass nur vier Mandatare für Köstinger votiert haben, die nicht den derzeit in Koalitionsverhandlungen stehenden Fraktionen von ÖVP und FPÖ angehören. Neos und SPÖ hatten der ehemaligen EU-Abgeordneten mangelnde Erfahrung vorgeworfen und unterstellt, dass sie das Präsidentenamt nur als Zwischenstation auf dem Weg in ein Ministeramt sehe. Trotz der Kritik stellte der geschäftsführende SP-Klubobmann Andreas Schieder Köstinger "viele Stimmen" seiner Fraktion in Aussicht. Tatsächlich gab es dann für Karlheinz Kopf (VP) 52 Stimmen. Der bisherige Zweite Nationalratspräsident hatte allerdings gar nicht kandidiert.

Als Retourkutsche wurde danach auch SP-Kandidatin Doris Bures mit nur 115 Stimmen zur Zweiten Nationalratspräsidentin gewählt. Womit Norbert Hofer (FP) als Dritter NR-Präsident mit 132 Stimmen das beste Ergebnis einfuhr.

Eine weitere Überraschung betraf das Auftreten der freiheitlichen Abgeordneten im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg, dem Ausweichquartier des Parlaments. Die 51 Mandatare waren diesmal nicht mit Kornblumen geschmückt. Diese galten vor 1938 auch als Erkennungszeichen illegaler Nationalsozialisten, was wohl am gestrigen 79. Jahrestag der Novemberpogrome zusätzliche Kritik ausgelöst hätte. FP-Chef Heinz-Christian Strache ließ stattdessen seine Abgeordneten mit Edelweiß ausstatten.

Die 52 SP-Mandatare waren mit Nelken geschmückt, während der Tischschmuck der zehn Neos Kakteen mit pinken Kunstblüten waren, weil man "der Stachel im Fleisch der Regierenden" sein wolle, so die Erklärung von Strolz.

Schelling verzichtet

Einen unerwarteten Auftritt hatte Hans-Jörg Schelling. Der Finanzminister verzichtete auf sein Abgeordneten-Mandat, wovon die bisherige VP-Justizsprecherin Michaela Steinacker als Nachrückerin profitierte. Die Frauenquote unter den 62 türkis-schwarzen Mandaten stieg damit auf den parteiinternen Höchstwert von 34,4 Prozent.

Obwohl derzeit Klubobmann, übte sich Kurz in seiner Rede schon als Kanzler: "Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit mit Ihnen in den nächsten fünf Jahren", richtete er sich an die Abgeordneten.

Viel Widerspruch, besonders von Frauenpolitikerinnen, erntete der interimistische Klubchef der Liste Pilz, Peter Kolba, der den Rückzug von Peter Pilz nicht auf die Vorwürfe der sexuellen Belästigung, sondern auf eine "beispiellose Medienjustiz" zurückführte. Pilz selbst will sich künftig als parlamentarischer Mitarbeiter bei seiner achtköpfigen Liste einbringen.