Richterpräsident Zinkl ist gegen Verschärfung des Strafrechts

Von OÖN   08.August 2017

Erst am 1. Jänner 2016 traten die Änderungen der groß angelegten Strafrechtsreform in Kraft. Dass Sebastian Kurz (VP) nun eine Verschärfung wünscht, ist für Experten daher überraschend. "Da braucht man momentan nichts zu ändern", sagte Werner Zinkl, Präsident der Richtervereinigung.

Zinkl verwies darauf, dass erst mit der jüngsten Reform die Strafdrohungen angepasst wurden: "Das Strafrecht ist ausgewogen genug." Kurz nannte als Grund für seinen Vorschlag milde Urteile, die er als "extrem ungerecht" empfinde. Eine Begründung, mit der Zinkl wenig anfangen kann: "Es ist nicht vernünftig, aufgrund von Einzelfällen, deren Hintergrund man nicht kennt, Änderungen des Gesetzes zu fordern."

Die Richter würden bei den Strafbemessungen "sehr sensibel" vorgehen, sie müssen alle Erschwernis- und Milderungsgründe abwiegen, betonte der Präsident.

Strafandrohungen haben immer auch generalpräventive Gründe. Bei Gewaltdelikten greifen diese kaum: "Diese Taten geschehen aus der Emotion heraus, da hilft Generalprävention wenig." Grundsätzlich plädiert Zinkl dafür, dass man der aktuellen Reform eine Chance geben sollte: "Es sind gute Änderungen gewesen. Man sollte auf die Richter und Staatsanwälte vertrauen, dass das gut gemacht wird."

Die 2016 wirksam gewordenen Änderungen versprachen unter anderem auch in jenem Bereich, wo Kurz nun nachschärfen will, eine optimierte Strafbalance: nämlich zwischen Vermögens- und Gewaltdelikten.

Rund 200 Tatbestände wurden im Strafgesetzbuch überarbeitet, um ein ausgewogeneres Verhältnis der Strafen bei Gewalt- und Vermögensdelikten zu schaffen.

Strafen zum Teil verdoppelt

Die Strafdrohung für Körperverletzung wurde verdoppelt: auf absichtliche schwere Körperverletzung stehen seitdem bei schwerer Dauerfolge ein bis 15 Jahre Freiheitsstrafe, mit Todesfolge fünf bis 15 Jahre. Wer grob fahrlässig Menschen tötet, muss bis zu drei Jahre ins Gefängnis, sind mehrere Menschen (z.B. bei einem Autounfall) betroffen, bis zu fünf Jahre. Als "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" wurden auch Fälle strafbar, in denen sich Opfer aus Angst nicht wehren (Strafdrohung bis zu zwei Jahre Haft). Bis zu sechs Monate Haft drohen für entwürdigende Berührungen an Körperstellen, die der Geschlechtssphäre zuzuordnen sind – der sogenannte "Po-Grapsch-Paragraf".

Kritik gibt es auch an Justizminister Wolfgang Brandstetter, den Kurz damit beauftragte, ein Vorhabenspapier zu erstellen. Dass ein Minister einem Parteichef zuarbeiten soll, ist für Beate Meinl-Reisinger (Neos) untragbar: "Der Parteichef bestellt sich ein Parteiwahlprogramm beim Minister? Das ist Machtmissbrauch." Kritik kommt auch von Albert Steinhauser, Klubobmann der Grünen: "So ruiniert ein Justizminister seinen Ruf."