Regierung zieht die Kassenreform heute im Ministerrat durch

24.Oktober 2018

Die Bundesregierung will trotz oder vielleicht auch wegen der vielen Bedenken von Kritikern die Strukturreform der Sozialversicherungen im Eilzugtempo beschließen. Heute passiert die Zusammenlegung der bisher 21 Sozialversicherungsträger auf fünf den Ministerrat – nur fünf Tage nach dem Ende der Begutachtung.

Video: Regierung beschließt umstrittene Reform der Sozialversicherung

 

Endgültig beschlossen wird das Reformpaket am 12. und 13. Dezember im Nationalrat. Das Gesetz soll mit 1. Jänner 2019 in Kraft treten. Nächstes Jahr wird fusioniert, 2020 wird es dann statt der neun Gebietskrankenkassen nur noch eine Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) geben.

Man habe sich vor allem mit den verfassungsrechtlichen Bedenken in den vergangenen Tagen noch einmal "ganz, ganz sorgsam" auseinandergesetzt, berichtete VP-Klubobmann August Wöginger von der "einen oder anderen Änderung". Dahinter steht ein historisches Trauma: Die Kassenreform von Schwarz-Blau I wurde 2002 vom Verfassungsgerichtshof in allen wesentlichen Teilen als rechtswidrig aufgehoben.

Veto bei Verträgen möglich

Ein wesentlicher Kritikpunkt bezüglich Verfassungskonformität ist die paritätische Aufteilung des Verwaltungsrats zwischen Arbeitnehmern und -gebern. Diese bleibt aufrecht, weil "eine Parität nicht gegen den Geist der Verfassung verstößt", wie der Verfassungsrechtler Bernhard Raschauer gestern bei einem Hintergrundgespräch im Kanzleramt betonte.

Ein Zugeständnis gibt es: Bei "wichtigen Entscheidungen" wie Vermögensveranlagung, Abschluss von Verträgen, Verwendung der Mittel aus dem Unterstützungsfonds und Landeszielsteuerungsabkommen sind im Verwaltungsrat "qualifizierte Mehrheiten" notwendig. Das heißt, die Arbeitnehmervertreter können in ihrer Kurie einen Beschluss blockieren. Nicht geändert werden die Zusammenlegung der Beitragsprüfung bei der Finanzverwaltung und die Weisungsrechte des Sozialministeriums.

Auch die Kritik des Rechnungshofs, wonach die behauptete Einsparung von einer Milliarde Euro bis 2023 ein intransparentes Zahlenspiel sei, änderte nichts am Regierungsplan. Bei einem jährlichen Umsatz der Träger von 14 Milliarden Euro sei "diese Milliarde jedenfalls realistisch", hieß es gestern aus den Kabinetten von Kanzler Sebastian Kurz (VP) und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FP). Gleichzeitig schließe man Leistungskürzungen aus, weil die ÖGK als "Gesamtrechtsnachfolgerin" alle Pflichten der Kassen übernehmen werde.

Treffen Landesräte – Ministerin

Unter den Gesundheits-Landesräten gab es Groll wegen der mangelnden Einbindung in die Kassenreform. Spät, aber doch ändert sich das. Hartinger-Klein kommt der Forderung der neun Landesräte nach einem persönlichen Termin mit ihr nach: Am 20. November wird das Treffen stattfinden.

Bisher gab es nur fraktionsinterne Sitzungen für VP-Landesräte. So waren etwa Oberösterreichs Christine Haberlander und Tirols Bernhard Tilg am Montag bei Wöginger, um nochmals Sorgen und Wünsche kundzutun. Aus Oberösterreich gibt es etwa die Forderung, dass der Ärzte-Stellenplan weiter auf Landesebene entschieden wird. Und die Hoffnung, dass sich bis zum Parlamentsbeschluss noch etwas tun könnte. (luc/az)

Eckpunkte der Kassenreform und Kritik

Die Zahl der Sozialversicherungsträger wird laut Bundesregierung von 21 auf fünf reduziert. Die neun Gebietskrankenkassen (GKK) werden zur Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert. Die Sozialversicherungsanstalten der gewerblichen Wirtschaft und der Bauern werden zusammengelegt, ebenso jene der Beamten und der Eisenbahner. Bestehen bleiben die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und die Unfallversicherung AUVA.

Laut Rechnungshof bleiben jedoch de facto zehn Träger übrig. Denn von den fünf Betriebskrankenkassen werden vier als betriebliche Wohlfahrtseinrichtungen weiter bestehen, ebenso die Notariatsversicherung.

Der Hauptverband wird aufgelöst, an seine Stelle kommt ein Dachverband, bei dem der Vorsitz zwischen den Chefs der Träger rotiert. Die derzeitigen GKK werden zu Landesstellen.

Eine Milliarde Euro Einsparung bis 2023 hat die Regierung angekündigt. Der Rechnungshof findet das nicht nachvollziehbar.