Rechnungshof: Vernichtende Kritik an Fusion der Krankenkassen

19.Oktober 2018

Heute, Freitag, endet die Begutachtungsfrist für das Bundesgesetz zur Zusammenlegung der Krankenkassen. Gewerkschaftliche Protestaktionen gab es gestern in allen Bundesländern; und eine der kritischsten Stellungnahmen kam gestern vom Bundesrechnungshof (RH). Dieser stellt die von der Regierung genannten Kosten- und Sparrechnungen grundsätzlich in Frage: "Es fehlen transparente und nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen", stellt der RH in seiner Stellungnahme fest. "Man muss das Spiel mit Zahlen beenden", sagt RH-Präsidentin Margit Kraker.

Dabei fehlt Kraker bei fast allen Eckdaten, die die Regierung nannte, die "nachvollziehbare Grundlage".

Das beginnt beim angepeilten Sparziel. Genannt wurden Einsparungen bis zu einer Milliarde Euro bis 2023. Im Begutachtungsentwurf, den das Sozialministerium verschickte, war dann von 350 Millionen Euro die Rede, die bis 2026 durch eine Reduktion des Personalstands erzielt werden sollen. Bis 2023 sei das Potenzial, das sich heben lasse, 33 Millionen Euro.

Kosten nicht berechnet

Bei den in den Erläuterungen angeführten 33 Millionen Euro bis 2023 sei nicht klar, wie man dazu komme, so Kraker. Für eine Reduktion der Verwaltungskosten um zehn Prozent gebe es keine inhaltliche Begründung.

Außerdem würden Mehrkosten, die durch die Kassen-Zusammenlegung zu erwarten sind, nicht bewertet. Der RH macht ausdrücklich auf die Kosten der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitern und Angestellten 2007 von 114,8 Mio. Euro aufmerksam und verweist "auf das Risiko, dass ohne weitere Maßnahmen bei den vorgeschlagenen Fusionsvorhaben vermeidbare Mehraufwendungen entstehen könnten". Das Nettoergebnis der vorgeschlagenen Maßnahmen für die aus den zusammengelegten Gebietskrankenkassen entstehende "Österreichische Gesundheitskasse" (ÖGK) könnte in den ersten fünf Jahren nicht wie dargestellt positiv, sondern – selbst unter Berücksichtigung von Fusionskosten – "deutlich negativ" sein.

"Effizienzsteigerung und Vereinheitlichung von Leistungen", befürwortet der RH zwar. Doch ob das erreicht wird, bezweifelt er. "Nominell" werde zwar die Zahl der Versicherungsträger von 21 auf fünf reduziert, faktisch bestünden aber zehn weiter. Von den derzeit fünf Betriebskrankenkassen sollen vier als betriebliche Wohlfahrtseinrichtungen weiter bestehen (nur die Kasse der Wiener Verkehrsbetriebe wird aufgelöst), ebenso die Notariatsversicherung. Nicht erfasst vom Entwurf sind auch die 15 Krankenfürsorgeanstalten.

Auch die versprochene Leistungs-Harmonisierung sieht der RH skeptisch: auch bei den zur "Österreichischen Gesundheitskasse" (ÖGK) fusionierten Gebietskrankenkassen erfolgt keine "unmittelbare materielle Vereinheitlichung des Leistungsrechts", denn es heißt, regionale Differenzierungen zu den Gesamtverträgen sollen "verhandelt" werden. Offen bleibt auch das finanzielle Volumen dieser regionalen Besonderheiten.

Bei den Kassen der Bauern und gewerblichen Wirtschaft, die zusammengelegt werden, bleibt das Beitrags- und Leistungsrecht gleich: an diesem Beispiel warnt der RH vor dem Risiko, dass ohne klare Regelung des Leistungsrechts sogar "die Tarife für den fusionierten Träger steigen könnten, was mit deutlichen Mehrkosten verbunden wäre". (bock)

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Die umstrittene Reform

Zusammenlegung: Die neun Gebietskrankenkassen sollen in der „Österreichischen Gesundheitskasse“ (ÖGK) mit Zentrale in Wien aufgehen. Dazu kommt eine gemeinsame Kasse für Selbstständige und Bauern sowie ein Träger für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) bleibt bestehen, wird aber finanziell „abgespeckt“.

Die Kosten für die Fusion bezifferte die Regierung nicht, nannte aber als Effekt Verwaltungseinsparungen bis zu einer Milliarde Euro. In Deutschland und der Schweiz brachten Kassenfusionen keine Ersparnis in der Verwaltung.

Von den Gebietskrankenkassen wie der OÖGKK wird kritisiert, dass Versicherten-Geld nach Wien abgezogen wird: Im Land soll nur die Summe der Versicherten-Beiträge verbleiben (in Oberösterreich 85 Prozent der OÖGKK-Gesamteinnahmen).

Die GKKs warnen auch vor einer Aushöhlung der Selbstverwaltung. In der ÖGK soll der Verwaltungsrat paritätisch mit je sechs Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt werden. Dagegen gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken.