ÖVP und FPÖ suchen Kompromiss für mehr direkte Demokratie

Von Christoph Kotanko   25.November 2017

Norbert Hofer, neuerdings mit Bart, statt Heinz-Christian Strache, Gernot Blümel statt Sebastian Kurz: Die öffentliche Inszenierung der Regierungsverhandlungen wich gestern vom üblichen Ablauf ab.

Statt der Parteiobleute traten zwei ihrer Vertrauten vor die Presse. Sie berichteten, die Gespräche machten gute Fortschritte, mit gutem Willen sei alles lösbar: "Es wird nicht getrödelt" (Hofer).

Einer der möglichen "Knackpunkte" ist laut dem Freiheitlichen die direkte Demokratie.

Die Vorstellungen der beiden Parteien waren weit auseinander, nun wird ein Kompromiss gesucht. Der FPÖ-Plan: Wird ein Volksbegehren von mehr als vier Prozent der Wahlberechtigten unterstützt (das wären derzeit etwas mehr als 250.000 Personen) und wird die Initiative vom Parlament nicht berücksichtigt, sollte es eine rechtlich bindende Volksabstimmung geben. Der Verfassungsgerichtshof würde nach den FPÖ-Vorstellungen eine Art Veto-Recht bekommen; entspricht der Abstimmungsinhalt nicht EU-Recht oder der Bundesverfassung, gibt es keine Volksabstimmung.

"Dumpfes Ohnmachtsgefühl"

Auch die ÖVP möchte die direkte Demokratie stärken, sie legt aber die Latte höher und will Volksabstimmungen erst zulassen, wenn zehn Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterschrieben haben.

Die Neos sind gleichfalls für die Zehn-Prozent-Hürde. Die Partei von Matthias Strolz ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, weil sie mit ihren zehn Abgeordneten die notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat sichern kann.

Der Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen, Werner Zögernitz, hält mehr Mitbestimmung für geboten. "Es gibt in der Bevölkerung ein dumpfes Gefühl der Ohnmacht, das man bekämpfen muss", sagt Zögernitz zu den OÖNachrichten.

Befragungen "nicht inflationär"

Der frühere Direktor des ÖVP-Klubs betont aber, ein Mehr an direkter Demokratie dürfe nicht zu Lasten des Parlaments gehen. "Gesetzestexte ohne Mitwirkung des Parlaments durchzuboxen, das geht nicht." Man müsse auch aufpassen, dass die Volksbefragungen "nicht inflationär werden".

ÖVP und FPÖ beschäftigen sich auch mit der Sozialpartnerschaft; ihre Ausgestaltung ist laut Hofer ebenfalls "ein Knackpunkt".

Gegen ein Ende der Pflichtmitgliedschaft formiert sich in der ÖVP Widerstand. So sagte gestern der burgenländische Wirtschaftskammer-Chef Peter Nemeth, die "solidarische Interessenvertretung" sei unverzichtbar: "Die Kammern sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung."

 

Justizminister Brandstetter verkündet seinen Abschied

Nur wenige Mitglieder der aktuellen Bundesregierung werden auch der nächsten angehören. ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter (er amtiert derzeit auch als Vizekanzler) gab gestern im Rahmen des Richtertages seinen Abschied bekannt.

„Ich werde zurückgehen an die Wirtschaftsuniversität Wien“, sagte der 60-jährige Niederösterreicher. „Ich freue mich darauf, meinen Studenten Lehrinhalte, angereichert durch Erfahrungen aus meiner Regierungstätigkeit, anbieten zu können.“
Bereits im Sommer verkündete Familienministerin Sophie Karmasin ihren Abgang. Nun wird spekuliert, wer der neuen Regierung angehören könnte. Raiffeisen-Manager Erwin Hameseder wird als Heeresminister gehandelt, Bestätigung gibt es keine.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nannte diese Woche die Nahostexpertin Karin Kneissl, den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer und Generalsekretär Herbert Kickl. Hofer betonte gestern, Sozialminister wolle er keinesfalls werden.