Neuer Präsident kommt im Schatten der Koalitionskrise

26.Jänner 2017

Mit den Worten "Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde" leistete der frühere Grünen-Chef den traditionellen Amtseid. Auf einen religiösen Zusatz verzichtete Van der Bellen.

Mit einem militärischen Festakt am Heldenplatz ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstag vom Bundesheer als neuer Oberbefehlshaber begrüßt worden. Auch eine Abordnung Tiroler Schützen war vor Ort. Ihre Ehrensalve samt Kanonschuss und anschließendem Schnapsausschank bildete den Abschluss, bevor bei Gulasch und Tee zur Begegnung mit dem neuen Staatsoberhaupt geladen wurde.

Van der Bellen schritt mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) eine Ehrenformation des Heeres ab und legte am Äußeren Burgtor Kränze im Weiheraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes sowie vor der Krypta nieder. In seiner Rede betonte er, Schutzherr und Unterstützer des Bundesheeres sein zu wollen. Der Truppe streute er Rosen: "Unsere Bevölkerung kann sich auf ihr Bundesheer verlassen." Doskozil begrüßte dies und versprach eine gute Zusammenarbeit.

Danach trat der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit Schützen aus seinem Bundesland zum "landesüblichen Empfang" an. Nach der Ehrensalve - ein "Friedenssymbol", wie der Platzsprecher betonte - schenkten Marketenderinnen Schnaps aus, dem neben Van der Bellen auch First Lady Doris Schmidauer zusprach. Dann ging es zur Gulaschkanone des Bundesheeres. Über der Hofburg wehte da schon die rot-weiß-rote Flagge.

Auszüge aus seiner Rede verbreitete das neue Staatsoberhaupt via Twitter: 

Dass Alexander Van der Bellen der rot-schwarzen Koalition mit der Annahme ihres Demissionsangebots einen Ausweg aus den jüngsten Turbulenzen in Richtung Neuwahlen bieten könnte ist zwar eine Option – aber keine realistische.

Offiziell wollte Van der Bellen am Mittwoch zur kriselnden Regierungsarbeit nichts sagen. In seinen Reden – eine direkt nach der Angelobung im Parlament, die andere nach dem Treffen mit den Regierungsmitgliedern in der Hofburg – wird er aber wohl Stellung beziehen.

Ein Rat vom Amtsvorgänger

Amtsvorgänger Heinz Fischer meldete sich am Mittwoch mit einem Rat für den Nachfolger zu Wort: Dieser solle ein vertrauliches Gespräch mit der Regierung führen, "so wie ich Alexander Van der Bellen einschätze, wird er sich wahrscheinlich dieses Mittels neben anderen Möglichkeiten auch bedienen", sagte Fischer. Der die "Chancen, dass die Zusammenarbeit der Regierung zu Ergebnissen führt", als "voll intakt" bewertete.

Bevor sich der 73-jährige Ex-Grünen-Chef in die Tagespolitik einschaltet, ist am Donnerstag das formale Amtseinführungsprozedere zu absolvieren – zunächst die Angelobung im Parlament, dann das festliche Rahmenprogramm am Weg in die Hofburg, mit Blasmusik, militärischem Festakt und Fahnenparade (Details zur Amtseinführung siehe unten).

Am Nachmittag, ab 15 Uhr, ist dann vorerst Schluss mit Feiern: Bundeskanzler Christian Kern (SP) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (VP) treffen mit den Ministern ein.

Abends lädt der neue Hausherr in der Hofburg zu einem Empfang.

Van der Bellens Termine

Am Wochenende warten, neben Interviews, in Wien erste Repräsentationstermine auf Van der Bellen: Samstagabend ist er beim Wissenschaftsball, Sonntagvormittag anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktags bei der Lesung einer Holocaust-Überlebenden. 

Langer Weg und klare Regeln

Für die Angelobung des Bundespräsidenten gibt es ein klar fixiertes Prozedere. Alexander Van der Bellens Weg in die Hofburg war ein langer.

Die Angelobung: Die offizielle Amtseinführung findet heute im historischen Reichsratssitzungssaal im Parlament statt. Vor den Mitgliedern der Bundesversammlung – alle Abgeordneten von Nationalrat und Bundesrat – leistet Alexander Van der Bellen in einer feierlichen Zeremonie seinen Amtseid. Als Zeichen, dass Österreich wieder – ein auf sechs Jahre gewähltes – Staatsoberhaupt hat, werden später auf der Hofburg wieder die Österreich- und die EU-Fahne gehisst.

Wie die Angelobung von Van der Bellens Vorgänger, Heinz Fischer, am 8. Juli 2010 über die Bühne gegangen ist, sehen Sie in diesem Video. Es war dies der Beginn seiner zweiten Amtszeit. 

Das Gelöbnis: Mit der Gelöbnisformel, die er vor Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann als Sitzungsführende spricht, wird Van der Bellens Kür fixiert. Sie lautet: "Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde." Auf den rechtlich zulässigen Zusatz "So wahr mir Gott helfe" verzichtet Van der Bellen.

 

Die Reden: Der frisch gekürte Bundespräsident ergreift heute gleich mehrfach das Wort: Seine erste Rede hält er vor der Bundesversammlung, es folgt eine Ansprache beim Heldendenkmal, wo zu Mittag ein militärischer Festakt für den neuen Oberbefehlshaber des Heeres stattfindet. Nach dem Empfang der Bundesregierung am Nachmittag wird sich Van der Bellen erneut zu Wort melden.

Die Begleitmusik: Auf dem Weg vom Parlament in die Hofburg begleiten das neue Staatsoberhaupt zwei Blasmusikkapellen: aus dem Tiroler Kaunertal und aus dem oberösterreichischen Peuerbach, wo Van der Bellens Frau Doris Schmidauer aufgewachsen ist.

Die First Lady: Mit Schmidauer ist Van der Bellen seit dem Vorjahr in zweiter Ehe verheiratet. Sie ist langjährige Geschäftsführerin des Grünen Parlamentsklubs und will ihren Job auch als First Lady weiter ausüben.

Die Vorgänger: Van der Bellen ist der neunte Bundespräsident der Zweiten Republik, der erste, der nicht aus SPÖ oder ÖVP kommt. Seine Wahl war die 13. Direktwahl. Wie sein Vorgänger Heinz Fischer sind fast alle Amtsinhaber nach ihrer ersten Amtsperiode wiedergewählt worden. Nur eine Amtszeit absolvierten Kurt Waldheim, Theodor Körner und Karl Renner.

Der Weg in die Hofburg: Kein anderer Bundespräsident musste vom ersten Wahlgang bis zum Einzug in die Hofburg so lange warten wie Alexander Van der Bellen. Am 24. April 2016 erreichte er Platz zwei hinter FP-Kandidat Norbert Hofer. Dahinter lagen die parteiunabhängige Irmgard Griss, erst auf den Plätzen landeten SP-Kandidat Rudolf Hundstorfer und VP-Mann Andreas Khol, Letzter wurde der Wiener Baumeister Richard Lugner.

In der Stichwahl am 22. Mai lag Van der Bellen um rund 30.000 Stimmen vor Hofer. Nach der Wahlanfechtung durch die FPÖ hob der Verfassungsgerichtshof die Stichwahl auf und ordnete eine Neuaustragung an. Diese war zunächst für 2. Oktober angesetzt, wegen Problemen mit Wahlkarten musste der Termin aber auf 4. Dezember verschoben werden. Diesen Wahlgang gewann Van der Bellen mit 53,8 Prozent der Stimmen.

 

 

Tiroler Heimspiel

Wenn Alexander Van der Bellen heute bei seiner Angelobung im Parlament sein Gelöbnis spricht, dann sind in diesem Moment zwei Tiroler unter sich: Denn der im Kaunertal aufgewachsene Ex-Grünen-Chef leistet den Amtseid vor der amtierenden Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann (VP), die aus dem Bezirk Reutte stammt.

"Auf Tirolerisch werden wir uns aber nicht unterhalten", lacht Ledl-Rossmann, der man die Herkunft freilich durchaus anhört. An ihre Aufgabe geht sie mit Respekt, "aber überwiegend Vorfreude".

Dass sie und nicht Nationalratspräsidentin Doris Bures (SP) Van der Bellen angelobt, ist den parlamentarischen Usancen geschuldet: Der Vorsitz in der präsidialen Angelobungssitzung wechselt alle sechs Jahre zwischen Nationalrats- und Bundesratspräsidium. Heinz Fischers letzte Angelobung hat die mittlerweile verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SP) geleitet.

Zwei Frauen an der Spitze

Erstmals stehen mit Ledl-Rossmann, die 2013 vom Tiroler Landtag in den Bundesrat wechselte, und Bures zwei Frauen an der Spitze des Zeremoniells. Beide halten vor den 244 Abgeordneten von Nationalrat und Bundesrat Reden. Die gelernte Krankenschwester Ledl-Rossmann will darüber sprechen, "wie ich die politische Zukunft einschätze und wie der Bundespräsident seine Rolle anlegen sollte", sagt die verheiratete 42-Jährige. Dass die Zeit reif für eine Bundespräsidentin wäre, findet Ledl-Rossmann durchaus, "aber jetzt sind wir froh, dass wir endlich einen Bundespräsidenten haben". (jabü)