Nach Diagnose im Linzer AKH zieht sich Barbara Prammer vorerst zurück

Von Christoph Kotanko   14.September 2013

Nur wenige Stunden lagen zwischen der Wahlkampfroutine und dem plötzlichen persönlichen Drama:

Montagnachmittag war Barbara Prammer bei Hausbesuchen in Leonding im Einsatz – die Nationalratspräsidentin ist Erste auf der SPÖ-Landesliste, der Direktkontakt zur Wählerschaft ist das Konzept der Sozialdemokraten.

Am Abend suchte sie das Linzer AKH auf, weil sie seit etlichen Tagen leichte Beschwerden hatte.

Am Dienstag bekam sie eine erste Diagnose, die auf eine heimtückische Erkrankung hindeutete.

Am Donnerstag erhielt sie den endgültigen Befund und einen Behandlungsvorschlag.

Freitag Mittag verlas ihr Mediensprecher Gerhard Marschall in einer eilig einberufenen Pressekonferenz eine knappe Erklärung Prammers: „Eine plötzlich aufgetretene schwere Krankheit macht es notwendig, dass ich mich vorübergehend schone und ganz auf meine Genesung konzentriere.“

Vertretung durch Neugebauer

Die Präsidentin fühlt sich grundsätzlich in der Lage, die Amtsgeschäfte weiterzuführen. Sie wird sich aber in Absprache mit dem Zweiten Präsidenten Fritz Neugebauer von diesem vertreten lassen. Das wird erstmals bei den beiden Sondersitzungen des Nationalrates in der kommenden Woche der Fall sein.

Die 59-Jährige wird nun von Spezialisten in Wien behandelt.

Die Fragen, ob sie nach der Nationalratswahl ihr Mandat annehmen oder wieder als Präsidentin kandidieren wird, „stellen sich derzeit nicht“, wie ihr Sprecher betonte. Am Wahlkampf für den 29. September werde sie „im Wesentlichen“ nicht mehr teilnehmen.

„Absoluten Vorrang hat jetzt die Genesung“, betonte Marschall. Diese sei, wie auch die Erkrankung, „kein öffentliches Ereignis“. Es werde aber Informationen über die weitere Entwicklung geben.

Folgen für den SPÖ-Wahlkampf?

Laut Nationalrats-Geschäftsordnung vertritt der Zweite bzw. Dritte Präsident (derzeit Neugebauer, ÖVP, bzw. Martin Graf, FPÖ) den Präsidenten im Falle einer Verhinderung. Ob eine solche eintritt und wie lange diese dauert, hat die Präsidentin zu entscheiden.

Welche Folgen der Ausfall der Spitzenkandidatin für Oberösterreichs SP hat, wagt noch niemand in der Partei zu beurteilen. Fest steht, dass der Bundesparteivorsitzende, Kanzler Werner Faymann, in den verbleibenden zwei Wochen im Land sehr stark präsent sein wird.

Das Resultat in Oberösterreich kann bundesweit den Ausschlag geben: Hier erzielte die SPÖ bei der bisher letzten Nationalratswahl 30,5 Prozent, die Volkspartei kam 2008 auf 26,8 Prozent.

 

Von Ottnang am Hausruck über Linz in die zweithöchste Position der Republik

Geboren wurde Barbara Prammer am 11. Jänner 1954 in Ottnang am Hausruck. Ihr Vater Leopold Thaller arbeitete im Kohlebergwerk, später bei den ÖBB. Er war viele Jahre SP-Gemeinderat und Vizebürgermeister; ein Jahr fungierte er als Bürgermeister.

Nach der Schule wollte sie ein Studium beginnen; eine Schwangerschaft verhinderte das aber vorerst. Ihr Sohn Bertram kam im September 1973 zur Welt. Sie begann, am Gemeindeamt zu arbeiten. Später schloss sie ein Soziologiestudium ab. 1980 Heirat mit Wolfgang Prammer; sie bekamen eine Tochter.
In die Politik kam sie 1991 als Landtagsabgeordnete. 1995 wurde sie als erste Frau Mitglied der oö. Landesregierung, zuständig für Wohnbau und den Naturschutz. Prammer kämpfte gegen das Traun-Kraftwerk Lambach.
Frauenministerin wurde sie 1997 im Kabinett von Kanzler Klima. Sie trieb Gleichstellungsanliegen voran. Ab 2000 Abgeordnete zum Nationalrat. 2001 wurde ihre Ehe geschieden.

Im Präsidium des Nationalrates als Vize von 2004 bis 2006, seither Erste Nationalratspräsidentin. Nie zuvor hatte eine Frau diese Position inne – protokollarisch die zweithöchste der Republik.

Erfolgreich war ihr Bemühen, das Hohe Haus für die Bevölkerung zu öffnen („Demokratiewerkstatt“). Die teure Parlamentsrenovierung steht aber noch aus.

 

Kanzler Faymann: „Wir stehen zu unserer Barbara“

LINZ/WIEN. Bundeskanzler Werner Faymann äußerte sich im Gespräch mit den OÖNachrichten tief betroffen über die Erkrankung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Sie habe ihn gestern in einem Telefonat darüber informiert. „Wir stehen zu unserer Barbara“, sagte Faymann.

Prammer habe in ihrem Leben so vieles für die Menschen in Österreich geleistet und sei eine der profiliertesten Persönlichkeiten der Sozialdemokratie. „Barbara Prammer bleibt weiter unsere Nationalratspräsidentin und unsere Kandidatin“, sagte Faymann. Er sei optimistisch und überzeugt, dass sie wieder gesund werde. „Sie soll wissen, dass wir sie brauchen und dass die gesamte sozialdemokratische Familie in dieser Phase hinter ihr steht. Auf uns kann sie sich voll verlassen“, sagte Faymann.

Ackerl: „Volle Unterstützung“

Bestürzt über die Nachricht von der Erkrankung Prammers zeigte sich auch Oberösterreichs SP-Chef Josef Ackerl: „Wir alle stehen in dieser schweren Lebensphase an der Seite unserer Barbara Prammer.“ Gleichzeitig sei er „voller Hoffnung und Optimismus“, dass die Nationalratspräsidentin „wieder völlig genesen wird“. Prammer habe die volle Unterstützung der oberösterreichischen Sozialdemokratie. „Sie bleibt unsere Spitzenkandidatin.“ Nun wünsche sich Prammer, „dass wir ihr Fehlen im Wahlkampf durch noch mehr Einsatz wettmachen“, sagte Ackerl.

SP-Klubobmann Josef Cap zeigte sich überzeugt, dass Prammer „mit jener Kraft, jener Zuversicht und jener Stärke, die sie als Person auszeichnet, ihre Krankheit überwinden wird“. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SP) wünschte ihrer Mentorin und Freundin „viel Kraft in dieser schwere Zeit“.

 

Genesungswünsche aus allen Parteien

Vorgänger Khol (VP) zollt Prammer „großen Respekt für Arbeit im Nationalrat“

WIEN. Freitagmittag machte der Wahlkampf kurz Pause: Nachdem die schwere Erkrankung Barbara Prammers bekannt geworden war, kamen aus allen politischen Lagern Genesungswünsche.

Aus der ÖVP richteten Parteichef Michael Spindelegger und Klubobmann Karlheinz Kopf der Nationalratspräsidentin die besten Wünsche aus. Auch Prammers Amtsvorgänger Andreas Khol sowie der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer hofften auf eine baldige Genesung Prammers. Khol bezeugte „großen Respekt für ihre Arbeit für unseren Nationalrat“.

„Ein mutiger Schritt“

„Respekt“ zollten auch die Oppositionsvertreter der Nationalratspräsidentin. Es sei ein „mutiger Schritt“, umgehend die Öffentlichkeit von ihrer Erkrankung zu informieren. Alle wünschten ihr eine baldige Genesung.

„Ich hoffe aufrichtig, dass Barbara Prammer bald wieder gesund in den Nationalrat zurückkehren kann“, sagte FP-Chef Heinz-Christian Strache. Grünen-Chefin Eva Glawischnig wünschte der Nationalratspräsidentin „viel Kraft, damit sie ihre Krankheit rasch überwinden kann“. Es gebe Zeiten, „in denen die Politik in den Hintergrund treten muss und die Gesundheit an erster Stelle steht“, sagte BZÖ-Chef Josef Bucher.

„Wenn man daran erinnert wird, dass Gesundheit nicht alles ist, aber ohne Gesundheit alles nichts ist, stehen alle parteipolitischen Unterschiede hintan“, sagte Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar.