"Meine Güte, wie kann das passieren"

Von Annette Gantner   31.Jänner 2018

OÖNachrichten: Was kann der Bildungsminister dazu beitragen, damit junge Menschen nicht den Holocaust verhöhnen oder sich Neonazi-Verbindungen anschließen?

Heinz Faßmann: Die Schulen müssen sich sicher dieses Themas weiter annehmen. Eine Schlussstrich-Debatte würde ich nicht zulassen. Letztlich haben alle Personen, über die hier gesprochen wird, eine Sekundarstufe besucht und sind Akademiker geworden. Wir müssen hier wachsam sein.

Was haben Sie sich gedacht, als Sie hörten, dass beim Koalitionspartner solche Liederbücher in Verwendung sind?

Ich dachte: Du meine Güte, wie kann das eigentlich passieren? Man muss hier sehr differenzieren. FP-Obmann Strache hat in den letzten Jahren viele solcher Fälle durch Ausschluss quasi zu bereinigen versucht.

Die Burschenschafter haben unter Strache aber an Einfluss gewonnen.

Den hatten sie im dritten Lager schon immer.

Die Uni-Rektoren fordern, dass in den Ministerkabinetten keine rechtsextremen Burschenschafter arbeiten sollen. Hätten Sie die Petition unterzeichnet?

Ich hätte wahrscheinlich nicht unterzeichnet, weil es gar nicht so einfach nachzuvollziehen ist, wer jetzt rechtsextremer Burschenschafter ist.

Sie haben mit den Uni-Rektoren auch die Verteilung von zusätzlich 1,35 Milliarden Euro zu besprechen. Wie hoch wird der Anteil für die Linzer JKU sein?

Das ist Sache der Verhandlungen. Die Zielrichtung ist sicher, die Studienbedingungen zu verbessern, dafür braucht es mehr Personal.

Es sollen ja auch Studiengebühren für alle kommen.

Das ist jetzt nicht vordringlich. Studiengebühren kann man verlangen, wenn auch das Leistungsangebot an den Unis stimmt.

Sie werden die Aufnahme in den Fächern Jus, Pädagogik und Fremdsprachen verschärfen. Wie lange wird es überhaupt noch einen freien Hochschulzugang geben?

Verschärfen ist kein Begriff, den ich verwenden würde, sondern anpassen an eine reale Situation. Wir sehen etwa gerade bei den Rechtswissenschaften, dass der Anteil der nicht aktiv Studierenden sehr hoch ist. Die Regelung einer Anzahl von Mindeststudienplätzen ist ein Heranführen an das, was die Unis tatsächlich leisten können.

Wie soll die Auswahl erfolgen: Bereits vor dem Studium oder erst in einer Eingangsphase?

Die Universitäten machen es lieber vor der Zulassung, damit Studierende eine größere Klarheit haben, ob sie es schaffen können oder nicht. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Motivationsschreiben, Self-Assessment-Tests.

Kommen wir zur Bildung. Laut aktueller PISA-Auswertung sind die Leistungen von benachteiligten Schülern in Österreich noch schlechter geworden. Wieso?

Eine Ursache ist, dass sich Schüler mit Integrationshintergrund schwerer tun als andere. In Deutschland etwa ist die Konzentration auf eine Stadt nicht so hoch. Möglicherweise ist auch die Qualifikation jener, die nach Deutschland zuwandern, aufgrund des Lohnniveaus höher.

Sie wollen mit Deutschförderklassen gegensteuern. Wieso macht man die Sprachkurse nicht einfach im Sommer?

Das ist eine Überlegung, dass man den Sommer für Crashkurse nützen könnte. Vorerst ist das aber noch eine Organisationsfrage.

Sie haben ja darauf gedrängt, dass man die Kinder möglichst im Regelunterricht belässt.

Man muss diese Schnittstelle auch belassen, damit Kinder gemeinsam etwas tun und die Sprache erproben können. Das ist für beide Seiten von Vorteil.

Warum werden die Strafen für das Schulschwänzen erhöht?

Wir haben hier ein sehr kompliziertes fünfteiliges Verfahren für Schulschwänzer. Die Schuldirektoren sollen sagen können, ich zeige dir die Gelbe Karte. Es wird finanzielle Sanktionen geben, die Höhe ist Verhandlungssache.

Hat Politik für Sie Suchtcharakter, oder fragen Sie sich auch, wieso habe ich mir das angetan?

Zweiteres. Ich muss eine gewisse politische Routine entwickeln, um mit dem Betrieb gut umzugehen. Es ist ein deutlicher Wechsel.

 

Schwänzen in Zahlen

Mit einem Strafrahmen von 110 bis maximal 660 Euro sollen notorische Schulschwänzer künftig bedacht werden können. Bisher war eine Strafe von höchstens 440 Euro möglich.

Faßmann geht es aber weniger um finanzielle Sanktionen, vielmehr will er das mehrteilige Verfahren für Schwänzer vereinfachen. Der fünfteilige Stufenplan sieht derzeit verpflichtende Gespräche mit Eltern und Schülern sowie die Einschaltung von Direktor, Schulpsychologen, Schulaufsicht und eventuell Jugendwohlfahrt vor. Hilft das alles nicht, können Verwaltungsstrafen verhängt werden.

Der Bildungsminister will das Modell überarbeiten, 2019 soll es in Kraft treten.

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