Kurz: "Müssen das Weiterwinken beenden"

Von Heinz Steinbock und Eike-Clemens Kullmann   27.Februar 2016

Über die diplomatischen Verwicklungen mit Griechenland und die Chancen auf eine "europäische Lösung" der Flüchtlingskrise spricht Außenminister Sebastian Kurz (VP) im OÖNachrichten-Interview.

 

OÖNachrichten: Griechenland hat seine Botschafterin nach Athen zurückbeordert und Innenministerin Mikl-Leitner ausgeladen. Ist das der Beginn der diplomatischen Eiszeit zwischen Österreich und Griechenland?

Sebastian Kurz: Nein, aber wir haben ein Interesse daran, die Flüchtlingskrise möglichst schnell zu lösen. Das bedeutet, dass wir nicht bereit sind, das Weiterwinken bis nach Mitteleuropa weiter zuzulassen. Griechenland hat bisher keine Bereitschaft gezeigt mitzuwirken, dass der Zustrom gedrosselt wird. Daher braucht es einerseits Unterstützung und zum zweiten Druck auf die Griechen. Griechenland hat auf die Westbalkan-Konferenz und den Druck anderer europäischer Staaten mit einer gewissen Anspannung reagiert. Das ist aus meiner Sicht auch verständlich. Denn die Situation ist für die Griechen komfortabler, solange sie die Flüchtlinge einfach weiterwinken können.

Wälzt man jetzt nicht das Problem auf die Griechen ab?

Es gibt nur zwei mögliche Wege, mit dem Flüchtlingszustrom umzugehen. Der eine ist die Einladungspolitik. Ich habe im Sommer schon davor gewarnt, wenn man das tut, werden mehr und mehr kommen. Der zweite Weg ist, den Zustrom zu reduzieren und nicht zuzulassen, dass sich jeder aussucht, in welchem Land er den Asylantrag stellt. Diesen zweiten Weg müssen wir verfolgen. Dann werden sich auch weniger auf den Weg nach Europa machen.

Stichwort Einladungspolitik: War der berühmte Satz von Angela Merkel "Wir schaffen das" ein Kardinalfehler?

Es haben ja viele Politiker in Europa, in vielen Staaten und vor allem in EU-Institutionen gemeint, es sei der richtige Weg, die Flüchtlinge möglichst schnell nach Mitteleuropa zu transportieren und aufzunehmen. Diese Politiker haben die Krise nicht ausgelöst, aber sie haben sie natürlich verschärft.

Die jetzige österreichische Politik der Asyl-Obergrenzen wird von der EU-Kommission als rechtswidrig kritisiert. Isoliert sich Österreich in der EU?

Definitiv nicht. Wir haben am zweitmeisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen und mehr als die USA und Kanada zusammen. Ich glaube nicht, dass man Österreich den Vorwurf machen kann, unsolidarisch zu sein. Ja, wir hoffen auf eine europäische Lösung. Aber wir sind nicht bereit zuzusehen, wie unser Land mehr und mehr überfordert wird. Daher setzen wir notwendige nationale und regionale Maßnahmen.

Aus Deutschland gab es wegen der Kontingente Kritik des unkoordinierten Vorgehens Österreichs. Wie sehen Sie das?

Ich respektiere, dass in Berlin die Entscheidungen für Deutschland getroffen werden, aber ich bitte auch um Verständnis, dass wir in Österreich selbst entscheiden müssen, ab wann die Überforderung unseres Staates gegeben ist. Und mit 90.000 Menschen im letzten Jahr ist das definitiv der Fall.

Die europäischen Hoffnungen ruhen auf dem EU-Gipfel mit der Türkei am 7. März. Was müsste das Ergebnis sein?

Das Wunschergebnis ist, dass die Türkei die Flüchtlinge in Zukunft daran hindert, die Türkei zu verlassen, und einen Beitrag leistet, die Krise einzudämmen. Wir sollten uns aber mittelfristig nicht in die Abhängigkeit von der Türkei begeben, sondern wir müssen es selber schaffen, als Europa unsere Grenzen zu schützen.

Ist eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlingskrise überhaupt wahrscheinlich? Die osteuropäischen Staaten wehren sich strikt dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen.

Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass es am Ende eine europäische Lösung geben wird. Sie kann nur ein Stoppen des Zustroms an den EU-Außengrenzen sein und dass sich der Flüchtling nicht aussuchen kann, in welchem Land er seinen Asylantrag stellt. Schauen wir uns die EU derzeit an: Von 28 Staaten gibt es in 20 keine oder fast keine Flüchtlinge.

Die Bundesregierung hat eine "Obergrenze" von 37.500 für dieses Jahr definiert. Ist das das Ende der Fahnenstange oder bleibt noch Spielraum?

Nein. 37.500 ist für Österreich ja auch eine extrem hohe Zahl.

 

„Wertekurse“ starten Mitte März

Die „Werte- und Orientierungskurse“ für Flüchtlinge starten in Oberösterreich nächsten Monat: die ersten Kurse beginnen am 15. März im Linzer BFI und am 21. März in der Volkshochschule Vöcklabruck. Zielgruppe sind rund 3500 Asylberechtigte (Personen mit positivem Asylbescheid). Organisiert werden die Kurse vom Integrationsfonds und sollen schrittweise flächendeckend auf Oberösterreich ausgedehnt werden, gaben Minister Sebastian Kurz, Landeshauptmann-Stv. Thomas Stelzer (VP) und Landesrat Rudi Anschober (Grüne) gestern in Linz bekannt. Vermittelt werden „die Regeln unseres Zusammenlebens“, also der demokratischen Gesellschaft, der Verfassung und der Gleichberechtigung.

Kurz war am Nachmittag auch bei einem „Asylgipfel“ der VP auf Einladung von Klubchefin Helena Kirchmayr eingeladen, an dem auch Landespolizeidirektor Andreas Pilsl und Experten des Innenministeriums teilnahmen.