"Kein Weiterwurschteln" - Mitterlehner droht mit Koalitionsende

Von Lucian Mayringer   30.September 2015

VP-Obmann Reinhold Mitterlehner will nach dem Wahldesaster in Oberösterreich handeln. Er fordert im OÖN-Interview "in den nächsten Monaten" ein Regierungsprogramm zur Profilschärfung, das vom Bürokratieabbau bis zur Asyllinie reicht. Sonst "macht es keinen Sinn, weiterzuwurschteln", stellt er SP-Kanzler Faymann die Rute ins Fenster.

OÖNachrichten: Herr Vizekanzler, selbst bei Ihnen daheim, in Helfenberg, setzte es am Sonntag massive Verluste. Warum ist nicht einmal der "Django"-Effekt beim Wähler angekommen?

Reinhold Mitterlehner: Meine Heimatgemeinde ist Ahorn. In Helfenberg bin ich in die Schule gegangen. Im Bezirk haben wir immer noch mehr als 45 Prozent, bleiben also eine VP-Hochburg.

Was spricht jetzt für eine Allianz von Schwarz-Rot mit etwas Grün, was für Schwarz-Blau?

Ich werde als Bundesparteiobmann einer Landespartei bei Ihnen keine Empfehlung für eine Koalition geben. Das ist nicht üblich.

Wäre Schwarz-Blau ein Störfaktor für die Bundesregierung?

So wie der Bundeskanzler und die Koalition mit Rot-Blau im Burgenland leben, würden wir auch mit Schwarz-Blau in Oberösterreich leben können. Das entscheidet die Landespartei.

Wie ist Ihr Verhältnis zur FPÖ von Heinz-Christian Strache?

Ich bin ein sehr offener Mensch und habe mit allen Parteien eine sehr gute Basis. Ich habe auch mit Strache einen ganz normalen, unbelasteten Gesprächskontakt.

Abseits der Blitzanalyse "Schuld war die Flüchtlingskrise": Welche Erklärungen haben Sie für die Wählerflucht?

Eine ist die Angst vor dem Verlust durch Veränderungen. Wir haben die Wirtschaftskrise, dazu die Flüchtlingsproblematik. Viele fühlen sich in ihren Errungenschaften gefährdet. Die Bürger erwarten einfache Lösungen und Absicherung ihres Standards. Der größte Trendbruch ist, dass die Politik nicht immer einfache Lösungen liefert, sondern nur mehr etwas erreichen kann, wenn sie den Bürger einbindet – siehe Flüchtlinge. Außerdem sind Bilanzen ermüdend. Die Kernfrage ist, wo ist die große Zukunftsprojektion?

Gerade Letzteres vermissen bei der Bundesregierung viele.

Die Verantwortlichen in Österreich, etwa die Sozialpartner, müssen erkennen, dass die Zeit, wo jedes Jahr nur über die Aufteilung der Zuwächse diskutiert wird, seit sechs Jahren, seit Beginn der Wirtschaftskrise, vorbei ist. Wir brauchen dringend eine Strukturreform des Staates, wie sie vor zehn Jahren in Deutschland Gerhard Schröder (SPD-Kanzler, "Agenda 2010", Anm.) eingeleitet hat. Ich denke an eine Gesundheitsreform mit der Zusammenlegung von Krankenkassen. Ich denke an die Pensionen, wo der Koalitionspartner die Angleichung von Männern und Frauen nicht angehen will.

Ist das schon das nächste Regierungsprogramm, womöglich mit einem neuen Partner?

Ich sage ganz offen: Ich bin nicht bereit, nach der Oberösterreich-Wahl ein untätiger Passagier auf einem schicksalshaften Weg zu sein. Ich möchte jetzt drei Dinge gestalten. Erstens: In Österreich muss vor dem Verteilen wieder die Leistung kommen. Wer etwas kann, dem soll auch etwas davon bleiben. Zweitens: Der Staat ist in allen Lebensbereichen überbordend. Weniger Staat ist ein Auftrag. Drittens: Bei den Flüchtlingen soll der Schutz bekommen, der ihn braucht. Aber die Souveränität des Staates, zu entscheiden, wer zuwandert, muss bleiben. Die Punkte werden wir schärfen. Dann werden wir wieder Attraktivität beim Wähler gewinnen.

Die nächste Nationalratswahl ist 2018. Das kann dauern.

Nein. Wenn wir nicht in nächster Zeit - damit meine ich die nächsten Monate - deutlich beweisen, dass wir regieren wollen und können, dann macht es keinen Sinn auf Dauer weiterzuwurschteln. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung.

Sie stellen der SPÖ und Werner Faymann die Rute ins Fenster?

Ja, auch wenn mir die Rute als Begriff nicht gefällt. Ich nehme aber an, dass auch der Koalitionspartner zu diesem Schluss kommt

In Wien droht am 11. Oktober ein Erdbeben. Was machen Sie, wenn Ihnen Kanzler Werner Faymann in absehbarer Zeit abhandenkommt?

Wenn das eintritt, werden wir entsprechende Konsequenzen beraten. Es macht keinen Sinn, so etwas vorher zu kommentieren. Und ich gehe davon aus, dass die SPÖ keine große Lust hat, in dieser Situation zu wechseln. Der Druck wird nach Wien jedenfalls zunehmen. Deshalb ist die inhaltliche Akzentuierung so wichtig.