Hofburg-Bewerber: Amt als "Kompromissgeburt"

Von Christoph Kotanko   12.März 2016

Carl Waldstein hat es geschafft: Der Unternehmer versammelte gestern Abend erstmals alle fünf aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten bei einer Diskussionsveranstaltung.

In den traditionsreichen Wiener "Bürgersalon" im Festsaal der Diplomatischen Akademie kamen mehr als 400 Neugierige, darunter viele Medienvertreter; das Gedränge war entsprechend.

Die parteiunabhängige Kandidatin Irmgard Griss, Norbert Hofer (FP), Rudolf Hundstorfer (SP), Andreas Khol (VP) und der Grüne Alexander Van der Bellen nützten die Gelegenheit, um ihren Standpunkt darzulegen. Nicht dass es Sensationen gegeben hätte – aber es war interessant zu sehen, wie die Bewerber um das höchste Amt im Staat miteinander umgingen: meist diszipliniert, aber doch immer auf der Lauer, um einen Punkt beim Publikum zu machen.

Proporz schied die Geister

Daraus entstand mancher spannende Wortwechsel. Zu Meinungsverschiedenheiten kam es etwa beim Proporz. Hundstorfer pries die objektive Postenvergabe, Van der Bellen und Griss waren entgegengesetzter Meinung. "Es ist doch erstaunlich, dass immer ein Roter und ein Schwarzer herauskommt" (Van der Bellen). Khol schilderte die "Verbitterung vieler Menschen" wegen der aktuellen Politik, Hofer sah in der direkten Demokratie einen Ausweg.

Als überparteilicher Experte war der Verfassungsrechtler Manfried Welan geladen; er hat über den Job in der Hofburg mehrere Bücher veröffentlicht, z. B. "Kein Kaiser in der Republik". Welan meinte, man könne den Bundespräsidenten "wie ein Vexierbild sehen, bei dem man einmal die starken Teile hervorhebt und ein anderes Mal die schwachen". Der Bundespräsident sei potenziell stark, die Möglichkeiten wurden aber in der bisherigen Praxis nicht ausgespielt. Das Amt lasse, wie ein Suchbild, "mehrere Deutungen zu". Bei seiner Ausgestaltung im Jahr 1929 sei es "eine Kompromissgeburt" gewesen.

Welan ist überzeugt: Wer immer ab Juli in der Präsidentschaftskanzlei sitzt, er oder sie wird die Funktion anders ausüben als Heinz Fischer es getan hat. "Das Amt des Bundespräsidenten wird neu werden, weil es ein neues Umfeld mit mehr Parteien und mit den sozialen Medien gibt."

Der alte "Stil der Stille" sei überholt. Das nächste Staatsoberhaupt werde "mehr Regierungsbildner" sein als die früheren Amtsinhaber, "vielleicht auch ein stärkerer Regierungsgestalter".

 

Montag: Griss, Hundstorfer, Van der Bellen in Linz