Ex-FPÖ-Politiker Wilhelm Brauneder leitet blaue Historikerkommission

Von (luc/apa)   13.Februar 2018

Die FPÖ hat einem der Ihren den Auftrag für die Aufarbeitung der Parteigeschichte erteilt: Wilhelm Brauneder, der Leiter der am Dienstag eingesetzten blauen Historikerkommission, stand jahrelang im Dienst der Freiheitlichen Partei. Zwischen 1994 und 1999 saß er auf einem blauen Ticket im Nationalrat, von 1996 bis 1999 war er auch Dritter Präsident des Hohen Hauses.

Der am 8. Jänner 1943 in Mödling geborene Brauneder studierte in Wien Rechtswissenschaften, 1965 promovierter er zum Doktor, danach hängte er noch ein Studium der Staatswissenschaften an. Nach praktischer Juristentätigkeit arbeitete er ab 1967 als wissenschaftlicher Assistent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. 1977 wurde er außerordentlicher Universitätsprofessor in Wien, drei Jahre später ordentlicher Professor für Österreichische Rechtsgeschichte. Von 1987 bis 1989 war er Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.

In die Politik kam Brauneder über den 1971 von Norbert Steger, Friedhelm Frischenschlager und anderen gegründeten liberalen "Atterseekreis". Ein politisches Mandat erhielt er erstmals 1989 als Gemeinde- und Stadtrat in seinem Wohnort Baden bei Wien. Im November 1994 zog der spätberufene Freiheitliche (Jörg Haider hatte noch 1992 erklärt, dass Brauneder kein Parteimitglied sei) in den Nationalrat ein, 1996 wurde er zum Dritten Präsidenten gewählt.

Die Wahl ging nicht reibungslos über die Bühne, Brauneder kam erst in zweiten Wahlgang zum Zug, nachdem die ÖVP es abgelehnt hatte, Herbert Haupt ihre Stimme zu geben. SPÖ, Grüne und das Liberale Forum verweigerten damals überhaupt, einen FPÖ-Kandidaten zu wählen. Grund dafür waren die zuvor bekannt gewordenen Aussagen des damaligen FP-Chefs Jörg Haider im Kreis ehemaliger SS-Angehöriger beim Ulrichsbergtreffen 1995, bei dem er seine Zuhörer "anständige Menschen mit Charakter" genannt hatte.

Die Wahl Brauneders ins Nationalrats-Präsidium wurde dann auch von heftigen Protesten von SPÖ und Grünen begleitet. So kritisierten die Parteien etwa Brauneders Tätigkeit als Autor der rechtsextremen Zeitschrift "Aula". Auch habe Brauneder in seiner Zeit als Dekan der Juridischen Fakultät Veranstaltungen des deutschen Rechtsextremisten Reinhold Oberlercher genehmigt, bei der "Gottfried Küssels Nazi-Partie den Saalschutz besorgte", wie etwa der damalige SP-Klubobmann Peter Kostelka monierte.

In jüngerer Zeit öffentlichkeitswirksam in Erscheinung getreten war Brauneder etwa im Juni 2014 beim Burschenschafter-nahen und von linken Organisationen kritisierten "Fest der Freiheit" im Wiener Innenstadtpalais Palffy. Er war von der damals neu gegründeten "Forschungsgesellschaft Revolutionsjahr 1848" geladen worden, um vor rund 200 Gästen über den Vormärz (Titel: "Die Grenzen der Freiheit - Metternich 2.0") zu referieren. Seine Nähe zur Partei zeigte der verheiratete Vater zweier Kinder im Jahr 2016, als er dem 60-Jahr-Jubiläum der FPÖ beiwohnte.

Auch DÖW soll eingebunden werden

In der blauen Historikerkommission sollen sich auch FPÖ-kritische Historiker einbringen, bekräftigte Klubobmann Walter Rosenkranz. Auch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) solle "mit seinen Vorbehalten" eingebunden werden. Man wolle alle, die sich kritisch mit der FPÖ auseinandersetzen, dazu bewegen, offen zu legen, "was in deren Archiven schlummert".

Die FPÖ-Führung distanzierte sich einmal mehr von rechtsradikalem, antisemitischem und NS-verherrlichendem Gedankengut. Generalsekretär Harald Vilimsky bat darum, der "Rot-weiß-rot Erklärung" der FPÖ besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Darin heißt es unter anderen: "Wir lehnen Extremismus nicht nur ab, sondern wollen auch all seine Ausprägungsformen mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Argumenten bekämpfen. Insbesondere werden wir auch gegen importierten Antisemitismus und gegen jenen Extremismus auftreten, der sich aus dem radikalen Islam nährt und zusehends in Europa Ausbreitung findet."

"NS-Gedankengut hat bei uns keinen Platz", sagte Rosenkranz. Dass FPÖ-Funktionäre immer wieder mit einschlägigen Aussagen auffällig werden, begründete er damit, dass "wir nicht in jedermanns Hirnkastl schauen können". "Der unterschwellige Vorwurf, dass das bei uns latent geduldet wird, muss aufhören. Wenn jemand glaubt, er kann in der FPÖ nationalsozialistisches Gedankengut einfließen lassen oder uns als Vehikel dafür nutzen, dem kann ich sagen: Nicht das Parteiausschlussverfahren abwarten, sondern gleich gehen."

Historisch transparente Partei

Die FPÖ wolle durch die Historikerkommission, der auch eine parteiinterne Koordinierungsgruppe beigestellt wird, alle Vorwürfe aufgreifen und im Gedenkjahr 2018 "als historisch transparenten Partei" die Zukunft gestalten. Dazu sollen "möglichst viele Interessierte einbezogen werden". Über die genaue Zusammenstellung der Kommission entscheide Brauneder. Es könne aus einer Liste mit 30 bis 50 nationalen und internationalen Experten seine Kommission zusammenstellen.

Man wolle jedenfalls nicht "im eigenen Saft schmoren", sondern auch bewusst dem Dritten Lager gegenüber kritisch eingestellte Forscher und Wissenschafter einbinden, vielleicht mittels "Hearing". Das sei aber Sache des Kommissionsleiters. Wissenschaft solle sich nicht politisch lenken lassen. Die FPÖ strebe einen "breiten Prozess" an, so Rosenkranz.

Die deutschnationalen Burschenschaften, die eigentlich Auslöser der ganzen Causa sind, werden aber nicht Teil der Untersuchung sein, weil es sich um private Vereine handle. Da habe die FPÖ kein Durchgriffsrecht. Das könne nur freiwillig passieren. "Wir werden uns unserer Vergangenheit stellen. Als Teil der österreichischen Bundesregierung tragen wir besondere Verantwortung", sagte Vilimsky.

Koordinierungsgruppe soll Prozess begleiten und steuern

Neben der Historikerkommission soll es auch eine Koordinierungsgruppe geben, die den Prozess "begleitet und steuert". Diese Gruppe besteht aus FPÖ-Ehrenobmann Hilmar Kabas, FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer, der Wiener Stadträtin Ursula Stenzel, der Dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller, FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth, den Nationalratsabgeordneten Reinhard Bösch und Harald Stefan sowie FPÖ-Urgestein und Parteikenner Andreas Mölzer.

Kritik an den FPÖ-Kritikern durfte bei der Pressekonferenz freilich nicht fehlen. Gudenus sprach von einer "hysterischen Gesinnungspolitik" mit dem Ziel, "eine erfolgreiche Partei madig zu machen". Er ortete eine "Vernaderungs-, Hass-und Neidpolitik, die die Menschen spaltet", aber den Gegnern der FPÖ nicht gut bekomme, wie man bei den Grünen gesehen habe.

Geschichte der Freiheitlichen Partei soll aufgearbeitet werden

Die FPÖ lässt der Ankündigung von Bundesobmann Heinz-Christian Strache, die Geschichte des "Dritten Lagers" von Historikern erforschen zu lassen, Taten folgen. Am Montagabend trat der Vorstand der Regierungspartei zusammen, um die Einsetzung dieser Historikerkommission zu beschließen.

 

Video: Startschuss für FPÖ-Historiker-Kommission

 

Strache hatte nach der NS-Liederbuchaffäre im niederösterreichischen Landtagswahlkampf um FP-Kandidat Udo Landbauer eine Historikerkommission ins Spiel gebracht. Diese solle auch "dunkle Flecken" in der Geschichte und in der ideologischen Ausrichtung der Freiheitlichen Partei beleuchten.

Beim Koalitionspartner ÖVP fand Straches Ankündigung breiten Zuspruch, verbunden mit der Forderung nach ernsthafter Behandlung. Zuletzt riet Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (VP) Strache, Historiker von international tadellosem Ruf einzusetzen, "die nicht unter dem Verdacht stehen, etwas unter den Tisch zu kehren".

 

Von Reinthaller bis Haider und Strache

Die Arbeit der Historikerkommission beginnt an den Ursprüngen der Freiheitlichen: Als Vorläufer der FPÖ wurde im März 1949 der Verband der Unabhängigen gegründet. Der VdU verstand sich als „Drittes Lager“ neben der SPÖ und der ÖVP und war Sammelbecken für ehemalige NSDAP-Mitglieder, Heimatvertriebene und Heimkehrer. 1949 erreichte der VdU bei der Nationalratswahl 11,7 Prozent.

Nach der Gründung der FPÖ am 3. November 1955 wurde der VdU von der neuen Partei absorbiert. Erster FP-Obmann war Anton Reinthaller, der ehemalige SS-Brigadeoffizier und NS-Minister war davor als Schwerstbelasteter inhaftiert. Ihm folgte 1958 Friedrich Peter nach (bis 1978), einst auch NSDAP-Mitglied und SS-Obersturmführer. Peter wollte die FPÖ liberaler gestalten. Er duldete 1970 Bruno Kreiskys SP-Minderheitsregierung.

Unter Norbert Steger gelang der FPÖ 1983 erstmals der Sprung in eine (rot-blaue) Regierung. Mit Jörg Haider begann 1986 der Aufstieg als rechtspopulistische Oppositionspartei, der 2000 in die erste schwarz-blaue Koalition mündete. Nach Haiders Abspaltung übernahm am 23. April 2005 Heinz-Christian Strache die FPÖ, die nach ihrem Wiedererstarken nun wieder Regierungspartei ist.