„Die Suppe ist zu dünn"- Zwei Monate bedingt für Mensdorff

Von Annette Gantner/ nachrichten.at   17.Jänner 2013

Richter Stefan Apostol sah es nicht als erwiesen an, dass der 59-Jährige vom britischen Rüstungskonzern BAE Systems über ein verschachteltes Firmen-Netzwerk 12,6 Millionen Euro zu Bestechungszwecken erhalten und die Gelder dazu eingesetzt hatte, um Beschaffungsvorgänge in Zentral-und Osteuropa zugunsten des britischen Konzerns zu beeinflussen. Wegen Beweismittelfälschung erhielt Mensdorff-Pouilly zwei Monate bedingt. Vom weiteren Vorwurf, in zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen insgesamt drei Mal falsch ausgesagt zu haben, wurde Mensdorff freigesprochen. Der mitangeklagte Kurt D. wurde von der ihm angelasteten Geldwäsche freigesprochen. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.

 

Der letzte Prozesstag im Liveticker:

12:01 Uhr: Der Richter fragt: „Haben Sie das Urteil verstanden?" Mensdorff und Kurt D. bejahen. Der Verteidiger und Mensdorff beraten, ob Sie berufen werden. Der Staatsanwalt geht in Berufung, Mensdorff nimmt das Urteil an. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Die Urteilsbegründung des Richters:

12 Uhr: Der Richter geht auf den Vorwurf der falschen Beweisaussage ein. „Die Frage, wer steht hinter Brodman, und Sie antworten "Ich nicht", ist das die richtige Aussage. Ich kann aus Ihrer Aussage nicht ableiten, dass sie falsch ausgesagt haben. Anders sieht es aus bei der Fälschung der Beweismittel. Es ist irrelevant, ob Sie gefälscht haben. Gestern ist aus den Zeugenaussagen hervor gegangen, dass es sich um eine Totalfälschung handelt. Ihre Geschichte, die Sie über H. erzählt haben, ist erlogen. Hier haben Sie gewusst, dass es eine falsche Urkunde ist udn dieses ins Beschuldigtenverahren einfließen lassen.

Für das Delikt, das geblieben ist, ist ein einfaches Bezirksgericht normalerweise zuständig. Mildernd ist, der bísher ordentliche Lebenswandel - womit ich mit dieser Formulierung schon meine Probleme habe. Sie sind bisher unbescholten. Die Höchststrafe hier wäre ein Jahr. Ich verhänge zwei Monate auf drei Jahre bedingt. Die Prozesskosten müssen Sie übernehmen. Eine Geldstrafe wäre bei Ihnen kein adäquates Mittel. Sie waren fünf Wochen in U-Haft, das habe ich angerechnet.

Was bleibt zurück: Moralisch bedenkliche Geschäftspraktiken. Nachweisen konnten wir in diesem Verfahren wenig. Sie haben jetzt den „special smell", den Sie wahrscheinlich nicht mehr loswerden. Sie hatten Glück, dass die Briten nicht ausgesagt haben."

11:48 Uhr: Mensdorff und Kurt D. hören zu. Beide haben rote Köpfe. Sie lächeln nicht, schauen den Richter an.

11:46 Uhr: Richter Apostol: „Hier muss man sagen, es reicht nicht für die Anklage Geldwäsche. Der Geldwäsche-Tatbestand, hat der Verteidiger ausgeführt, war für einen großen Zeitraum nicht strafbar. Dieser wurde erst 2002 eingeführt."

11:42 Uhr: Richter: „Der Staatsanwalt ist in einer denkbar schwachen Position. Er hat nicht gleich aufgegeben und hat versucht, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Für Geldwäsche braucht man eine kriminelle Vortat und ein Wissen von Personen um das Geld. Das Verfahren in GB wurde eingestellt, die Briten waren nicht sehr kooperativ. Welche Indizien gibt es: Schaffung des Systems. Ist das ein Nachweis für Bestechungen? Nein. Das muss nicht unbedingt kriminell sein. Verdeckte Berater konnten nicht entdeckt werden. Umstand, dass sich BAE freigekauft hat, kann nicht als Beweis herangezogen werden."

11:37 Uhr: Apostol setzt die Urteilsbegründung fort: „Bestechungen können wir hier nicht nachweisen. Das was Sie sagen, ist nicht das, was der Realität entspricht. Wenn Sie nicht offenbaren wollen, was tatsächlich passiert ist, werden Sie Ihre Gründe haben. Die Wahrheit ist schwer zu finden. Teile der Gelder sind für BAE verwendet worden - wir wissen nicht welche. Sie sind auch hier nicht die Zentralfigur im Gesamtkomplex von BAE, sondern ein kleines Rädchen. Es sind Sie, weil Landon Ihnen als Verwandtem vertraut hat."

11:33 Uhr: „Die Staatsanwaltschaft wird sich überlegen müssen, ob sie im Fall der Firma Dräger Anklage erhebt. Der Kernvorwurf ist, dass Sie mit Ihrem Geld dazu beigetragen haben sollen, unbekannte Amtsträger bestochen zu haben. Die Indizien stützen sich auf Herrn Cliff und die Dokumente, die vorlagen. Cliff hat sich in Großbritannien dazu verpflichtet, die Wahrheit zu sagen und bekommt dafür völlige Straffreiheit. Cliff ist im System von BAE sicher eines der schwächsten Glieder; er hat ein krankes Kind, auf das er achten muss. Immer dann wenn es darum geht, jemand Bestimmten etwas vorzuwerfen, weicht Cliff immer aus. Das was hier belastender sind, sind die Urkunden, die Cliff vorgelegt hat. Heute wird Korruption geahndet. Damals war sie in dieser Form nicht strafbar."

11:28 Uhr: Richter: „Der Freispruch ist kein Persilschein. Die Sache stinkt. Sie stinkt sogar sehr, aber sie stinkt nicht genug. Bei Ihnen bekommt der Freispruch eine neue Dimension. Aber es gilt im Zweifel für den Angeklagten. Die Suppe ist zu dünn. Wenn etwas wahrscheinlich ist, ist das nicht ausreichend. Wir führen keinen Schauprozess. Die Frage ist, welches Bild haben wir von Ihnen gesehen. Einerseits wurden Sie von Herrn Ruttenstorfer (OMV) als sehr wertvoller Berater dargestellt, andererseits machten Sie eine Sekretärin, die nicht Englisch kann, zur Geschäftsführerin. Die Frage ist 'Sind Sie korrupt?' -  Das ist nicht unwahrscheinlich. Ob Sie sich in den Spiegel schauen können, müssen Sie mit sich selber ausmachen.

Das Urteil:

11:24 Uhr: Mensdorff wird in den Anklagepunkten Falschaussage und Geldwäscherei freigesprochen. Kurt D. wird freigesprochen.

11:21 Uhr: Mensdorff ist schuldig, ein gefälschtes Beweismittel vorgelegt zu haben. Er wird dafür zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Seine Vorhaft wird auf die verhängte Vorstrafe angerechnet.

11:20 Uhr: Alle erheben sich. Urteil.

Das Plädoyer des Anwalts von Kurt D.:

11:19 Uhr: Anwalt von Kurt D.: „Es gab keinen Beweis, dass mein Mandant bei irgendwelchen Besprechnungen anwesend gewesen sein soll. Der Erstangeklagte ist nicht nur freundschaftlich sondern auch verwandtschaftlich mit Landon in Beziehung. Kronzeuge Cliff sagte, er wisse das Landon zur Verschwiegenheit tendiert. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass Investitionen mit diesen Summen getätigt wurden. Zahlungen sind über eine Schweizer Bank gelaufen. Die Schweizer Banken haben das Geld nach Landons Tod nicht an BAE gezahlt sodnern an Landons Familie. Es geht darum, was hier bewiesen werden kann. Es gibt meiner Meinung nach keine Tat des Erstangeklagten. Deshalb gilt das auch für mich. Ich plädiere auf Freispruch."

11:12 Uhr: Der zweite Verteidiger Sascha König geht in seinem Plädoyer auf Details zu den angeblichen Investitionsgeschäften ein, die Mensdorff für Landon getätigt haben soll. Auch er beantragt einen Freispruch.

Schlussplädoyer von Verteidiger Harald Schuster:

11:03 Uhr: „Wieso hätten dei englischen Zeugen herkommen sollen wie ein Krimineller. So funktioniert das nicht. Der Tatzeitraum lautet April 2000 bis April 2008. Die Geldwäsche wurde immer wieder novelliert. Die Vortat der Geldwäsche gibt es erst seit 2002. Wir fangen ab 1. Oktober 2002 an. Alles davor gilt nicht. Faktum ist, dass sich nichts erhärtet hat. Deshalb muss es einen Freispruch geben."

11:01 Uhr: „Einfach drüberzufahren und alles als lächerlich zu bezeichnen, geht nicht. Einvernahmen zu nächtlicher Stunde sind nicht lustig. Trotzdem bleibt S. bei seiner Aussage: Er habe die Gelder für sein Projekt kassiert. Man muss auch die Aussagen der Mutter von H. sehen. Sie hat ihren Sohn anders gesehen. Ein anderer Zeuge S. sagte aus, H. habe einen Porsche gefahren und ein Luxushaus in Dubai gehabt. Die Beweislage war ja dürftig. Die Zeugenaussagen haben ja keine Erhärtung der Beweise gebracht sondern eher eine Entlastung."

10:56 Uhr: Schlussplädoyer von Verteidiger Harald Schuster: „Der Vortatenkatalog wurde immer wieder erweitert. Man muss sich die Zeugen vor Augen führen. Der Zeuge Mark Cliff wurde als Kronzeuge bezeichnet. Was kommt bei der Aussage heraus: Ich glaube, ich vermute . Das reicht nicht. Absolute Sicherheit ist gefordert. Vermuten kann man überall viel. Hier im Gerichtssaal muss ich den gesicherten Schuldbeweis finden können. Zeuge S. hat sich von der Polizei herbringen lassen. Er hat Geld kassiert für sein Projekt."

Plädoyer des Staatsanwalts Michael Radasztics :

10:50 Uhr: „Gestern war der Herr S. da. Ich wüsste niemanden hier im Saal, der Herrn S. für sein Projekt sechs Millionen Euro gegeben hätte. Das wage ich zu bezweifeln. Ich gehe eher davon aus, dass S. das Geld irgendwann wieder retour fließen hat lassen. 'Es klingt nach Mafia', hatte gestern Zeugin B gesagt. Gestern wurde noch über ein Dubai-Projekt geredet. Ein Fax konnte sich nicht als richtig herausstellen. Insgesamt glaube ich, dass die Variante das Spielgeld unglaubwürdig ist. Diese Geschichte wird Ihnen in Österrreich kein Richter glauben. Das sehe ich genauso. Wir haben hier das Pech, dass viele Leute bereits gestorben sind. Niemand hat Mensdorff den Vorwurf gemacht, dass er mit dem Tod dieser Leute etwas zu tun habe. Sie haben sich diese Toten zunutze gemacht und einigen dieser Leute aufs Grab gespukt. Das halte ich für schäbig.

Kurt D. hatte Konten aufgestellt, bei Besprechungen teilgenommen. Ich glaube daher insgesamt, dass der Tatbestand der Geldwäscherei zu verurteilen ist.

Falsche Zeugenausssage: Es hat eine Lobbyingtätigkeit für den Gripen gegeben.Es hat laufend Kontakt zwischen Mensdorff und BAE gegeben. Zwei weitere Aussagen zu Brodman im U-Ausschuss kann man folgendermaßen sehen. Wenn er gefragt wird: 'Ist das Ihre Firma?', dann muss man schon aufklären, wie das ist. Und nicht sagen: 'Nein, das gehört mir nicht'. Der Herr Mensdorff hätte von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen sollen. In Wahrheit ist die Firma Mensdorff zuzuordnen. Deshalb nicht wahr.

Verfahren wurde als Notlösung gesehen - das ist nicht so. Wenn jemand Lohnbestätigungen fälscht, um einen Kredit zu bekommen, dann ist das zu verurteilen. Ich ersuche das Gericht um eine anklagekonforme Verurteilung."

10:37 Uhr: Staatsanwalt: „Diese Gelder wurden gewaschen. Der Angeklagte sagt, es sei gar kein BAE-Geld, sondern Geld von Tim Landon, das ihm dieser als Spielgeld gegeben habe.Erstens Brodman (Mensdorffs Firma) wurde nicht von Landon sondern von BAE finanziert. Welche Zahlungen sind an Brodman gelaufen? Warum kommt ein Honorar auf ein Konto, das Landon zuzuordnen ist, obwohl es für den mitangeklagten Kurt D. gewesen wäre? Die OMV hatte Mensdorff geholt, um die politische Situation in manchen Ländern zu erheben, es ging nicht um Öl.

10:32 Uhr: Staatsanwalt: „BAE hat drei Beraterverträge abgeschlossen. Zweck war die Erbringung von Beraterleistungen - diese wurden nie erbracht, wie auch Mark Cliff gesagt hat. Geld, das an diese drei Gesellschaften geflossen ist, hatte keine werthaltigen Leistungen . Auf diese Weise gingen 12,7 Millionen Euro an die Firma Brodman, deren Formaleigentümer Mensdorff ist. Er war gleichzeitig für BAE Berater in Osteuropa. Es gab also in Wahrheit keinen wirtschaftlichen Grund für diese Zahlungen. Die BAE-Leute haben nicht gewartet, ob sie Beratungsleistungen erhalten. BAE hat Einfluss genommen, was mit dem Geld passieren soll.

In Ungarn und Tschechien wurde der Gripen angeschafft, wovon BAE profitiert hat. In Österreich kam Eurofighter zum Zug - auch hier ist BAE beteiligt. Was wollte BAE mit ihren seltsamen Konstruktionen? Meiner Meinung nach wurde Schmiergeld gezahlt. Man kann nicht Zweifel haben, dass es hier zu kriminellen Konstruktionen gekommen ist. Wenn ich ein legales Unternehmen betreibe, dann kann ich das tun. Aber um legale Geschäfte zu machen, muss ich nicht im Vorfeld illegale Konstruktionen schaffen.

Die BAE-Leute sind nicht zu diesem Verfahren erschienen. Das Nicht-Erscheinen, dieser Personen unterliegt ebenfalls der Beweiswürdigung. Wir haben erlebt, wenn ein Zeuge nicht kommen will: Der Amtsarzt wird geschickt, gegebenenfalls holt ihn die Polizei. Man muss dafür nicht ein Hendl verschlucken. In Österreich muss man aussagen. Leider ist das nicht grenzüberschreitend."

10:20 Uhr: Der Staatsanwalt beginnt mit seinem Plädoyer: „Wir haben nicht immer das Glück, dass britische Journalisten etwas aufzeichnen. Deshalb haben wir heute hier einen Indizienprozess. Man muss alles wie ein Puzzle zusammensetzen.Ich bin überzeugt, dass mit einem Schuldspruch vorgegangen werden kann."

10:15 Uhr: Die Verlesung der Protokolle ist aus Sicht des Staatsanwalts Michael Radasztics - der sie verlangt hat - verfahrenstechnisch notwendig. Weil keiner der vorgeladenen BAE-Manager vor Gericht erschienen ist, muss er seinen Vorwurf der Geldwäsche auf die von den britischen Behörden protokollierten Aussagen stützen.

9:54 Uhr: Mensdorff und sein mitangeklagter langjähriger Mitarbeiter Kurt D. folgen der Verlesung der britischen Akten. Der Richter leiert den Text herunter. Am Montag hatte der frühere Innenminister und Ex-EU-Parlamentarier Ernst Strasser auf der Anklagebank auf sein Urteil gewartet. Nie hatte er den Blick des Publikums gesucht, sondern meist hartnäckig in ein Büchlein geschrieben. Anders Mensdorff und D., die auch körpersprachlich an ein eingespieltes Paar erinnern. Sie starren auf die Decke, taxieren die Zuschauer, fixieren den Boden. Heute könnte der Richter beide bis zu fünf Jahre verurteilen.

Mensdorff drohen allerdings noch weitere Prozesse. Ermittelt wird im Zusammenhang mit der Errichtung des Polizeifunks Tetron und den Eurofighter-Gegengeschäften. Hier gilt die Unschuldsvermutung, eine Anklage wurde bisher nicht erhoben.

9:35 Uhr: Alfons Mensdorff-Pouilly betritt den Gerichtssaal unter Blitzlichtgewitter. „Keine Interviews im Gerichtssaal", mahnt Richter Stefan Apostol. Der Richter beginnt auszugsweise aus den Ermittlungsprotokollen der britischen Korruptionsbehörde vorzulesen.

9:20 Uhr: In wenigen Minuten geht der Prozess gegen Alfons Mensdorff-Pouilly und seinen Mitarbeiter Kurt D. weiter. Er muss sich vor Gericht wegen Geldwäsche, Falschaussage und Vorlage falscher Beweismittel verantworten - das Höchstmaß der Strafe beträgt fünf Jahre. Sollte nichts Unvorhergesehenes geschehen wird der Richter heute nach den Schlußplädoyers das Urteil fällen.

 

Mensdorff soll - so der zentrale Vorwurf der Anklage - vom britischen Rüstungskonzern BAE Systems 12,6 Millionen Euro zu Bestechungszwecken übernommen und die Gelder dazu verwendet haben, um Beschaffungsvorgänge in Zentral-und Osteuropa zugunsten von BAE Systems zu beeinflussen. Daneben wird dem Ehemann der früheren ÖVP-Umwelt- und Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat noch falsche Zeugenaussage in zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und Beweismittelfälschung angekreidet.