Die SPÖ liegt voran und hält die ÖVP auf Distanz

Von Wolfgang Braun   20.Juli 2013

ÖVP-Chef Michael Spindelegger will Erster werden. So kündigte er es mehrmals an, sein Ziel ist das Kanzleramt. Doch derzeit, zehn Wochen vor der Nationalratswahl am 29. September, deutet wenig darauf hin, dass er dieses Ziel auch tatsächlich erreicht.

Die SPÖ liegt im Wahlbarometer, den die OÖNachrichten und die Bundesländerzeitungen in Zusammenarbeit mit dem Linzer Marktforschungsinstitut Spectra erstellt haben, weiter voran und hält die ÖVP auf Distanz. Spectra-Chef Peter Bruckmüller sieht aktuell wenig Chancen für eine Wende: „Spindelegger hat als Person nicht die Zugkraft. Dazu fehlt derzeit ein Thema, das für die ÖVP als Hebel dienen kann.“

Sanfter Kanzlerbonus

Zwar ist der Abstand zur SPÖ in der Sonntagsfrage nicht gravierend (SPÖ: 25–29 Prozent, ÖVP: 22–26 Prozent) – durch die Zusatzfragen im Wahlbarometer erhärtet sich die Führung der Sozialdemokraten jedoch. Sowohl bei der Meinung über die Parteien als auch bei den Sympathiewerten der Spitzenkandidaten liegen SPÖ bzw. Bundeskanzler Werner Faymann klar vor der schwarzen Konkurrenz.

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Bei der Frage, wer Bundeskanzler werden solle, hat Faymann mit 30 zu 19 sogar einen deutlichen Vorsprung vor Herausforderer Spindelegger. „Alle psychologischen Indikatoren sprechen dafür, dass die SPÖ Platz eins halten kann. Der Abstand zur ÖVP ist nach derzeitigem Stand abgesichert“, sagt Bruckmüller. Dies wird auch dadurch untermauert, dass 32 Prozent die Regierung von der SPÖ geführt sehen wollen und nur 25 Prozent von der ÖVP.

Auch die FPÖ muss ihre hochgesteckten Wahlziele relativieren. Nichts deutet im Wahlbarometer darauf hin, dass die Freiheitlichen in den Kampf um den ersten Platz eingreifen können. „Bis vor einem Jahr hatte es den Anschein, als könne die FPÖ das BZÖ-Potenzial zu einem Großteil wieder zurückgewinnen. Mit dem Auftauchen der Partei Frank Stronachs ist es damit aber vorbei“, sagt Bruckmüller. Stronach raubt der FPÖ damit die Möglichkeit, ein Ergebnis auf Augenhöhe mit SPÖ und ÖVP zu erreichen und bei der Frage der Regierungsbildung eine Schlüsselrolle einnehmen zu können.

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Grünes Potenzial

Ausgesprochen günstig ist die Stimmungslage derzeit für die Grünen. Dass die Grünen in Umfragen sehr gut liegen, dies dann aber bei Wahlen nicht im selben Ausmaß ummünzen können, sei zwar ein bekanntes Phänomen, so Brückmüller, jedoch haben die Grünen mittlerweile ein neues Akzeptanz-Level erreicht: „So ausgeprägt wie jetzt waren ihre guten Daten noch nie“, sagt Bruckmüller. Das zeigt sich vor allem bei der Frage, welche Partei künftig eine stärkere Rolle spielen soll: Hier liegen die Grünen im Saldo sogar vor der SPÖ und der ÖVP. Eine Einschränkung bleibt aber: Bei der Frage, wer die Regierung führen soll, sacken die Grünen wieder ab. „Mitreden und in einer Regierung dabei sein sollen die Grünen – jedoch nicht in führender Position. Das traut man ihnen offenbar noch nicht zu“, sagt Bruckmüller

Stronach in der Rolle der Protest-Partei

Frank Stronachs Parteischöpfung kommt im Wahlbarometer auf 9–11 Prozent. Die Stronach-Partei saugt damit die Stimmen des BZÖ aus dem Jahr 2008 zum überwiegenden Teil ab und wird zu einem Faktor in der Innenpolitik.

Allerdings wird die Partei nicht in der Rolle gesehen, die Parteigründer Frank Stronach vorschwebt. Während Stronach ankündigt, das Land in der Regierung verändern zu wollen, wünschen sich im Wahlbarometer nur drei Prozent der Befragten für Stronach eine führende Rolle in der Regierung. Stronach werde klar als Protest-Partei wahrgenommen, sagt Spectra-Chef Bruckmüller. Dass der Markt für solche Protestparteien da ist, ist kein österreichisches Phänomen. In Italien haben immerhin 25 Prozent für den Kabarettisten Beppo Grillo gestimmt, so Bruckmüller.

Weniger positiv sind die Aussichten für das BZÖ, das 2008 nach einem fulminanten Wahlkampf des mittlerweile verstorbenen Jörg Haider die 10-Prozent-Marke knackte. „Das BZÖ liegt an der Grenze und wird zu kämpfen haben, um nochmals in den Nationalrat einzuziehen“, sagt Bruckmüller.

Insgesamt hat sich die Politikverdrossenheit laut Bruckmüller im Vergleich zum Wahljahr 2008 nicht noch weiter gesteigert. SPÖ und ÖVP haben sich – allerdings auf niedrigem Niveau – akzeptabel gehalten. „Das kurzfristige Krisenmanagement in der Finanzkrise war gut“, sagt Bruckmüller. „Dass es Österreich im Vergleich mit den meisten europäischen Nachbarn relativ gut geschafft hat, durch diese Krise zu kommen, wird in der Bevölkerung mehr und mehr registriert und auch den Regierungsparteien als Verdienst zugeschrieben“, so der Spectra-Chef.

SPÖ und ÖVP sind immer noch die beiden Parteien, denen man es am ehesten zutraut, eine funktionierende Regierung zu bilden. Das wird durch die Ergebnisse im Wahlbarometer deutlich. 31 Prozent sind der Meinung, dass künftig die SPÖ eine stärkere Rolle in der Politik spielen soll, 28 Prozent nennen die ÖVP.

Zum Vergleich: Die FPÖ erreicht hier 13 Prozent, Stronach 10 Prozent. Nur die Grünen (31 Prozent) können hier mit SPÖ und ÖVP mithalten.

Zur Umfrage: Wahlbarometer als Stimmungsbild

Das Linzer Marktforschungsinstitut Spectra hat den Wahlbarometer im Auftrag der Oberösterreichischen Nachrichten und der Bundesländerzeitungen Kleine Zeitung, Vorarlberger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung und Salzburger Nachrichten erstellt. Befragt wurden 700 repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ausgewählte Personen (ab 16 Jahre).
Eine so hohe Stichprobe ist für Wahlumfragen nicht üblich. Häufig werden in solchen Fällen nur 400 bis maximal 500 Personen abgefragt. Das Ergebnis, das Sie auf diesen beiden Seiten zusammengefasst vorfinden, liefert damit ein sehr deutliches Bild von der aktuellen politischen Stimmung im Land.
Vor der heurigen Nationalratswahl am 29. September werden noch zwei weitere Wahlbarometer erscheinen, einer im August, einer im September.

76 Prozent der im Wahlbarometer Befragten gaben an, bei der Wahl am 29. September sicher ihre Stimme abgeben zu wollen.

Umfragesplitter

2008

Vor der bisher letzten Nationalratswahl im Jahr 2008 war die Politikverdrossenheit laut Spectra-Chef Peter Bruckmüller ausgeprägter als heuer. Damals gaben 45 Prozent der Österreicher an, dass es ihnen „schwer“ fällt, eine Partei zu wählen. Derzeit sind es 33 Prozent. 14 Prozent gaben an, dass es ihnen „sehr leicht“ fällt, sich für eine Partei zu entscheiden. Die weiteren Ergebnisse: „Leicht“: 26 Prozent, „weniger leicht“: 23 Prozent („keine Angabe“: 4 Prozent).

Die Neuen

Bei der Nationalratswahl im September wollen einige neue Parteien den Sprung ins Parlament schaffen. Die Piraten zum Beispiel oder auch die NEOS. Derzeit liegen diese Parteien im Wahlbarometer aber noch weit davon entfernt. Sie kommen auf Werte zwischen 0 und 1,5 Prozent. Sollte eine Gruppierung bei den nächsten Umfrage-Wellen signifikant stärker werden, werden wir das gesondert ausweisen.

Das Duell

Sympathiewert: Bei Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann beziehungsweise Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelegger wurde im Wahlbarometer nicht nur die Bundeskanzler-Frage gestellt. Abgefragt wurde auch, wer von den beiden derzeit die besseren Sympathiewerte in der Wählerschaft genießt: Auch hier liegt Faymann voran. Er gefällt 41 Prozent der Befragten besser, Spindelegger erreicht bei dieser Frage einen Wert von 33 Prozent („kann nicht sagen“ gaben 26 Prozent der Interviewten an).