"Der 8. Mai war Ende und Anfang"

"Wir waren nicht mehr Nummern oder Juden, sondern wir waren wieder Menschen geworden": So erinnerte sich der 102-jährige Marko Feingold gestern in seiner Rede beim Staatsakt im Bundeskanzleramt an seinen Tag der Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald.

Es war der 11. April 1945, als amerikanische Truppen die KZ-Häftlinge in Buchenwald befreiten. Bis zum Kriegsende in Europa sollte es aber noch dauern: Der 8. Mai 1945 markiert offiziell den Tag der Niederlage Nazi-Deutschlands.

"Der 8. Mai war Ende und Anfang zugleich", sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SP). Er brachte das Ende "der Barbarei des NS-Regimes", ermöglichte den Wiederaufbau von "Demokratie und Freiheit". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (VP) mahnte zu einer "lebendigen Gedenk- und Erinnerungskultur" und appellierte an die "Verantwortung des Einzelnen": "Wir müssen Grenzüberschreitungen benennen, es beginnt mit der Sprache", sagte Mitterlehner. Und kritisierte ein Plakat, das die FPÖ im laufenden steirischen Landtagswahlkampf verwendet: Ob nicht der Slogan "Neue Wohnungen statt neuer Moscheen" Vorurteile schüre, fragte Mitterlehner und bat: "Urteilen Sie selbst".

Bewegende Feier in Linz

Des Kriegsendes vor 70 Jahren gedachte gestern auch das offizielle Oberösterreich bei einem Festakt im Linzer Musiktheater. Und es war eine würdige Gedenkfeier mit ergreifenden Zeitzeugen-Berichten, frischen Gedanken von Jugendlichen, nachdenklich-cooler zeitgenössischer Kunst und bewegenden Momenten, blendend umgesetzt vom Symphonieorchester der Anton-Bruckner-Universität unter Leitung von Dennis Russell Davies, dem Kinder- und Jugendchor sowie Darstellern des Landestheaters Linz.

In seiner Festrede erinnerte Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) an die dunklen Jahre der NS-Zeit: "Oberösterreicher waren Opfer, Oberösterreicher waren aber leider auch Täter. Und Oberösterreich war leider auch Tatort."

Pühringer würdigte die Wiederaufbau-Leistung nach dem Krieg, die durch eine neue Form des politischen Zusammenhalts möglich geworden sei: "Die Gründerväter der Zweiten Republik haben dem Land damit etwas gegeben, was es in der leidvollen Geschichte der Ersten Republik nicht gab: politische Stabilität."

Die vielen anwesenden Jugendlichen im Publikum forderte Pühringer zur Beteiligung auf: "Demokratie lebt von der ständigen Erneuerung, also auch davon, dass junge Menschen mit guten Ideen Verantwortung übernehmen. Ich lade Sie dazu ein."

 

Befreiungsfeier in Mauthausen

Am Sonntag wird in der Gedenkstätte Mauthausen der Befreiung des ehemaligen KZ vor
70 Jahren gedacht. Thematischer Schwerpunkt ist heuer der Steinbruch, in dem „Vernichtung durch Arbeit“ praktiziert wurde. In Mauthausen und seinen Nebenlagern ermordeten die Nazis rund 100.000 Menschen.

Ab 9 Uhr finden zahlreiche Gedenkfeiern auf dem Gelände des ehemaligen KZ statt. Um 11 Uhr startet der traditionelle Gedenkzug über den einstigen Appellplatz. Die internationale Gedenkfeier moderieren die Schauspielerinnen Konstanze Breitebner und Mercedes Echerer. Bundespräsident Heinz Fischer, Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, mehrere Minister sowie etliche ausländische Staatsrepräsentanten werden an der Befreiungsfeier teilnehmen.

An die 70-Jahr-Jubiläen der Gründung bzw. Wiedergründung ihrer Parteien erinnern auch ÖVP und SPÖ im Land: Die SPÖ hat heute zu ihrer Landesbildungskonferenz den Historiker Florian Wenninger zum Vortrag ins Linzer Central (11 Uhr) eingeladen. Die ÖVP präsentiert am Montag das Buch „Unser Auftrag für Morgen“ als Streifzug durch die vergangenen 70 Jahre.