Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Viel Zeit gewonnen, aber eine Lösung im Brexit-Chaos ist nicht in Sicht

Von Jochen Wittmann, 12. April 2019, 00:04 Uhr
Viel Zeit gewonnen, aber eine Lösung im Brexit-Chaos ist nicht in Sicht
Premierministerin Theresa May hofft, dass das Unterhaus dem Austrittsdeal bis 22. Mai zustimmt – dann muss Großbritannien nicht an der EU-Wahl teilnehmen. Bild: REUTERS

Die EU gewährt Großbritannien eine erneute Fristverlängerung – maximal bis 31. Oktober.

Jetzt blickt Europa einem "Halloween-Brexit" entgegen, nachdem der EU-Gipfel nach einer Marathonsitzung London eine Fristverlängerung bis 31. Oktober gewährt hat. Britische Medien bemühten gestern genüsslich die Metapher vom Halloween-Albtraum und diskutierten, ob man Süßes oder Saures zu erwarten habe.

Einerseits ist ein ungeregelter Austritt vom Tisch. Andererseits drohen weitere sechs Monate Gezerre – mit oder ohne Ergebnis. Premierministerin Theresa May will versuchen, eine Ratifizierung des Austrittsdeals in den nächsten Wochen zu erreichen. Aber ihre Chancen dafür stehen schlecht. "Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln", sagte May, "um einen Konsens zu erreichen, der im nationalen Interesse ist."

Video: Die konservative Regierung führe mit der oppositionellen Labour Party intensive Gespräche. Das habe es wohl seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben, berichtet ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch aus London.

Das sagt sich leicht, aber nichts deutet darauf hin, dass May bereit wäre, von ihren roten Linien abzurücken, um einen parteiübergreifenden Kompromiss zu ermöglichen. Die Gespräche mit der Opposition gingen auch gestern weiter. Labour wäre bereit, einen Brexit-Deal zu unterstützen, wenn der festschreiben würde, dass das Land in einer permanenten Zollunion verbleibt. May weiß, dass ihre Partei das nicht akzeptieren würde und scheut die Konfrontation. Außerdem hat Labour ein weiteres Problem. "Unsere große Sorge ist, wenn wir einen Deal mit May machen: Was passiert, wenn sie geht", sagte Schatten-Finanzminister John McDonnell.

Tatsächlich sind Mays Tage gezählt. Sie hat angekündigt, nicht für die zweite Phase des Brexit zur Verfügung zu stehen, in der die künftigen Beziehungen mit der EU verhandelt werden. Ex-Außenminister Boris Johnson, ein möglicher Nachfolger, könnte eine mit Labour getroffene Vereinbarung zurücknehmen. Daher drängt die Opposition auf eine "Boris-Sperre": Die Zollunion soll im Austrittsgesetz verankert werden.

Teilnahme an der EU-Wahl?

Wenig deutet darauf hin, dass sich eine Lösung in den wenigen Wochen bis zum 22. Mai finden lässt. Dann aber muss Großbritannien an der EU-Wahl teilnehmen, will es nicht riskieren, am 1. Juni ohne einen Deal aus der EU zu fliegen. Die Aussicht, den Wählern erklären zu müssen, warum sie Abgeordnete für das EU-Parlament bestimmen sollen, obwohl das Land schon längst aus der EU ausgetreten sein sollte, ist ein Horror für Politiker der Konservativen. Sie erwarten ein Fiasko an den Wahlurnen. Und das gleich doppelt: Noch vor den Europawahlen finden in Großbritannien Anfang Mai Kommunalwahlen statt.

Es ist kein Wunder, dass innerhalb der Tories die Wut auf May wächst. Sie hatte stets versprochen, dass der Brexit am 29. März erfolgen würde (alleine 108 Mal im Unterhaus) – und dann versichert, nur einen kurzen Aufschub bis 30. Juni akzeptieren zu wollen.

Mays Tage sind wohl gezählt

Jetzt sieht das Königreich einer sechsmonatigen Verlängerung mit Schrecken entgegen. Die Rufe nach Rücktritt aus Mays Partei werden lauter. Eine Gruppe von Abgeordneten hat eine Petition unter Tory-Mitgliedern gestartet, um die Satzung zu ändern und May mit einem Misstrauensvotum konfrontieren zu können.

Sie brauchen dafür nur 10.000 Unterschriften. In dieser Hinsicht ist die Verlängerung für sie positiv. "Das Schöne an der Frist ist", sagte die Konservative Anne Marie Morris, "dass wir unsere Parteivorsitzende auswechseln können."

Grafik:

Download zum Artikel

Brexit Verschiebung

PDF-Datei vom 11.04.2019 (1.838,63 KB)

PDF öffnen

 

Der Brexit-Aufschub macht die EU-Wahl spannend

Kein Geschenk ist der Gipfel-Beschluss für das Europa-Parlament und viele seiner Abgeordneten. Denn mit dem Aufschub ist es wahrscheinlicher geworden, dass die Briten an der EU-Wahl Ende Mai teilnehmen. Wählen die Briten mit, ist die bereits beschlossene Verkleinerung des EU-Parlaments von 751 auf 705 Sitze zunächst wieder hinfällig – ebenso die Neuverteilung der Sitze, von der einige Länder profitiert hätten.

Bisher im Parlament unterrepräsentierte Länder hätten nach dem Austritt der Briten mehr Mandate erhalten. Die Zahl der österreichischen Abgeordneten wäre von 18 auf 19 gestiegen. Doch solange das Vereinigte Königreich noch Mitglied ist, bleibt alles beim Alten. Der oder die frischgewählte 19. österreichische Abgeordnete muss also warten, bis der Brexit da ist.

Der Brexit-Aufschub macht die EU-Wahl spannend
Vorteil für Frans Timmermans? (APA) Bild: APA/GEORG HOCHMUTH

Vorteil für Frans Timmermans? (APA)

Franzosen, Spanier als Verlierer

Größere Verlierer wären Franzosen und Spanier, die wegen der Briten auf je fünf zusätzliche Mandate warten müssten. Oder die Niederländer, bei denen drei gewählte Mandatare in der Warteschleife festhingen.
Die Briten könnten auch eine gewichtige Rolle bei der Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten spielen. Der muss bis Ende Oktober gewählt werden, weil die Amtszeit von Jean-Claude Juncker am 1. November ausläuft. Notwendig ist eine absolute Mehrheit der EU-Abgeordneten.

Ist Großbritannien zum Abstimmungszeitpunkt noch EU-Mitglied, mischen die 73 britischen Mandatare mit – was die Wahlchancen des deutschen CSU-Mannes Manfred Weber, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), schmälert. Von den britischen Abgeordneten gehören nur zwei der EVP-Fraktion an. Die 19 Labour-Abgeordneten zählen zu den Sozialdemokraten. Diese Mandate würden wegfallen, sollte der Brexit vor den Wahlen über die Bühne gehen. Wenn nicht, könnten es noch mehr werden. Laut Umfragen ist Labour im Aufwind. Bei EU-Wahlen käme die Partei auf 38 Prozent und wäre vor den konservativen Tories (23 Prozent) stärkste Kraft. Was Frans Timmermans, dem sozialdemokratischen Anwärter auf die Juncker-Nachfolge, nutzen würde.

Und die anderen britischen Abgeordneten? 19 Tories finden sich in der EU-kritischen Fraktion. 17 britische Mandatare sind in der EU-skeptischen Fraktion „Europa der Freiheit“ zu finden, deren Chef Nigel Farage ist. (via)

mehr aus Außenpolitik

USA und Großbritannien verhängen neue Sanktionen gegen Iran

Wie Europa seine Wirtschaft verteidigen will

Deutscher Gesundheitsminister lehnt Zigaretten-Verbot ab

EU: Weniger Bürokratie, mehr Kooperation

Autor
Jochen Wittmann
Londonkorrespondent
Jochen Wittmann

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

10  Kommentare
10  Kommentare
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
AlfDalli (3.986 Kommentare)
am 12.04.2019 15:12

Die starke Handlungseingeschränktheit der EU wird ein gutes halbes Jahr verlängert, und danach wahrscheinlich für weitere Zeit. Gute Nacht, Europa!

lädt ...
melden
antworten
tja (4.605 Kommentare)
am 12.04.2019 12:00

..., fanfarikuss,

vielleicht hast Du Jochen Wittmanns gelesen - wenn nicht? Nachholen!

In seinem Kapitel "Der Brexit-Aufschub macht die EU-Wahl spannend" und "Franzosen, Spanier als Verlierer" handelt Wittmann das ab, was ich Dir gestern schuldig geblieben bin.

Sollten die Briten nicht im neuen EU-Parlament sein, werden in der von ihm am 18.o6.2o18 beschlossenen Verkleinerung einigen EU-Ländern zugeschlagen.

Es bleibt eine Differenz von 46 Abgeordneten (das macht die Differenz von 751 auf 7o5 Abgeordnetenplätze aus), die später auf neue beitrittswillige Länder verteilt werden.

Ich hoffe, daß ich Dir damit helfen konnte!

lädt ...
melden
antworten
tja (4.605 Kommentare)
am 12.04.2019 12:03

Schusseligkeit!

"Sollten die Briten nicht im neuen EU-Parlament sein, werden in der von ihm am 18.o6.2o18 beschlossenen Verkleinerung einigen EU-Ländern (darunter Österreich) 27 Abgeordnetenplätze zugeschlagen."

lädt ...
melden
antworten
( Kommentare)
am 12.04.2019 05:41

Dieser Termin ist doch ungünstig, überschneidet sich doch mit Halloween.

lädt ...
melden
antworten
penunce (9.674 Kommentare)
am 12.04.2019 03:15

Warum die Bonzen der EU, allen voran der Tusk und der nicht mehr so stark an "Ischias" leidende Junker (er verzichtet auf Küsschen!), die Briten noch zur Wahl antreten lassen, obwohl sie bereits erklärt heben; "ein zweites Referendum kommt nicht in Frage", ist mir und auch anderen ein Rätsel!

Da kommt ein bekannter Stehsatz zur Anwendung;

"Die Hoffnung stirbt zuletzt" 🧩

Dabei geht klar hervor, dass dieses Brexit der EU mehr schadet als den Briten, denn die werden sich schneller erholen, als die in der EU verbleiben 27 Staaten, sie werden noch mehr als bisher an Mitgliedsbeiträgen zahlen müssen, die Briten ersparen sich aber Milliardenbeträge pro Jahr und sind vom Verwaltungs-Terror der EU gänzlich befreit!

lädt ...
melden
antworten
Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 12.04.2019 03:59

Wenn die Verwaltung dich zu sehr terrorisiert, dann ziehe nach Sibirien zu den Bären und Wölfen.

Da die Städte durch EU-Regeln lebenswerter wurden, das soll Terror sein?

Darum ziehen wahrscheinlich derzeit soviel in die Städte, weil die Luft durch die EU Verwaltung dort viel zu gut für die Bürger geworden ist.

lädt ...
melden
antworten
Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 12.04.2019 04:08

Darum hat der chinesische Führer Xi sich gleich auf Lebenszeit wählen lassen, das das Volk nicht mehrmals zu wählen braucht.

In GB hat man das Referendum auch einen Königsstatus gegeben, denn es reicht ja einmal einen König zu wählen wie in China. Eine undemokratische Haltung.

lädt ...
melden
antworten
Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 12.04.2019 04:18

Die Mitgliedsbeiträge kommen ja vorwiegend der Landwirtschaft zugute, damit die Lebensmittel billig bleiben und damit ist die eigene Versorgung mit Nahrunsmitteln sichergestellt.

Diese Milliardenbeträge sind gut investiert, weil wir dadurch auch billige Tomaten aus Italien und billige Orangen aus Spanien bekommen.

Die rumänische Pflegerin kommt schneller nach Österreich, wenn die EU Asphaltstrassen in Rumänien mitfinanziert.

Oder willst du den billiges Hormonfleisch aus den USA?

lädt ...
melden
antworten
penunce (9.674 Kommentare)
am 13.04.2019 08:07

@Christian090676

Die Millardenbeiträge kann sich GB in Zukunft ersparen und um diese Beträge im freien Markt einzukaufen, das Blutgeld für die Erntehelfer, vornehmlich aus Afrika kommend, für "billige Paradeiser und Orangen" ohne ärztlicher Versorgung arbeitend, brauchen auch wir nicht, denn wir erzeugen selber diese Produkte, mit sauberen und noch dazu ausreichend vorhandenem Wasser, in Eferding und auch nahe bei Wien!

Auch brauche die Briten kein "billiges Hormonfleisch aus den USA" importieren, sie haben selbst genug Weiden und auch Rinder die sie zur Versorgung der Bevölkerung schlachten können.

"Die rumänische Pflegerin kommt schneller nach Österreich, wenn die EU Asphaltstrassen in Rumänien mitfinanziert"

Was das mit dem Austritt der Briten zu tun hat, bleibt sich mir halt verschlossen.

Ich bin sicher kein Gegner der EU, aber diese mischt sich unentwegt in Sachen ein, welche wir von uns aus selber lösen könnten, nur das gehört abgeschafft, nicht die EU als solcher!

lädt ...
melden
antworten
Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 12.04.2019 04:23

Wenn der Brexit die EU mehr schadet, warum will dann das britische Parlament eine Verlängerung?

Die EU hat um keine Verschiebung des Brexit gebetten.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen