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Machtkampf in Venezuela forderte bereits 26 Tote

Von nachrichten.at/apa, 24. Jänner 2019, 21:30 Uhr
Machtkampf in Venezuela voll entbrannt. Bild: GUILLERMO ARIAS (AFP)

CARACAS. Der Machtkampf in Venezuela ist vollends entbrannt. Die Zahl der Toten bei der jüngsten Protestwelle gegen Venezuelas Präsidenten Nicolas Maduro hat sich nach Angaben von Aktivisten deutlich erhöht. Seit Montag seien 26 Menschen getötet worden.

Das teilte die Beobachtungsstelle für soziale Konflikte (OVCS)am Donnerstag mit. Zuvor hatte die Nichtregierungsorganisation (NGO) von 16 Toten gesprochen.

Venezuela wird derzeit von einer schweren politischen Krise erschüttert. Seit einem gescheiterten Aufstand von Mitgliedern der Nationalgarde am Montag gehen Regierungsgegner gegen Maduro auf die Straße, vielerorts kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Am Mittwoch organisierte die Opposition Massenproteste gegen den linksnationalistischen Staatschef. Der oppositionelle Parlamentspräsident Juan Guaido erklärte sich zum Übergangsstaatschef und wurde von den USA und einer Reihe rechter Regierungen in Lateinamerika anerkannt. Maduro kann sich aber weiterhin auf die Unterstützung der Armee verlassen.

"Ich schwöre, offiziell die nationale Exekutivgewalt als amtierender Präsident von Venezuela zu übernehmen, um die Usurpation zu beenden, eine Übergangsregierung einzusetzen und freie Wahlen abzuhalten", sagte Guaido vor Anhängern in der Hauptstadt Caracas. Guaido war Anfang Jänner zum Präsidenten der von der Opposition beherrschten Nationalversammlung gewählt worden.

Video: Hannelore Veit (ORF) zum Machtkampf in Venezuela

 

In einer vom Weißen Haus veröffentlichten Erklärung von US-Präsident Donald Trump hieß es daraufhin, Guaido vertrete "das einzige legitime" Staatsorgan des Landes, weil er "ordnungsgemäß" vom venezolanischen Volk gewählt worden sei. Trump rief Maduro zu einer friedlichen Machtübergabe auf und drohte ihm mit schweren Konsequenzen. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte Trump.

Maduro verkündete als Reaktion den Abbruch der diplomatischen Beziehungen seines Landes zu den USA und gab dem diplomatischen Corps der USA 72 Stunden zum Verlassen des Landes. "Ich habe entschieden, die diplomatischen und politischen Beziehungen zur imperialistischen Regierung der Vereinigten Staaten abzubrechen", sagte Maduro. "Raus! Weg aus Venezuela. Hier herrscht Würde, verdammt."

Das US-Außenministerium stellte aber klar, Maduros Entscheidung nicht anzuerkennen. "Die Vereinigten Staaten erkennen das Maduro-Regime nicht als Regierung Venezuelas an", erklärte Außenminister Mike Pompeo. Entsprechend habe Maduro nicht die "rechtliche Befugnis", die diplomatischen Beziehungen zu den USA abzubrechen oder US-Diplomaten zu unerwünschten Personen zu erklären.

Das US-Außenministerium richtete zudem eine klare Warnung an die venezolanische Führung: "Die Vereinigten Staaten werden angemessene Maßnahmen ergreifen, um jeden zur Verantwortung zu ziehen, der die Sicherheit unserer diplomatischen Vertretung und ihres Personals gefährdet." Das Ministerium rief zudem die venezolanischen Streitkräfte auf, das Wohlergehen aller venezolanischen Bürger, aber auch der Ausländer und US-Bürger in dem Land zu garantieren.

Manduro: „Hier ergibt sich niemand“

Der Armee kommt im Machtkampf zwischen Maduro und Guaido eine entscheidende Rolle zu. Venezuelas Verteidigungsminister Vladimir Padrino versicherte am Mittwoch, die Streitkräfte des Landes würden hinter Maduro stehen und Guaido zurückweisen. Die Soldaten würden einen "im Schatten finsterer Interessen aufgezwungenen Präsidenten" ablehnen, der sich "außerhalb des Gesetzes" selbst zum Staatschef ernannt habe.

Am Montag war ein Aufstandsversuch von 27 Soldaten gegen Maduro gescheitert. Die Situation in dem Land hatte sich seitdem verschärft. Bei Protesten und Unruhen kamen am Dienstag und Mittwoch nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Beobachtungsstelle für soziale Konflikte (OVCS) mindestens 13 Menschen ums Leben. Die meisten Menschen seien durch Schusswaffen getötet worden.

Die Europäische Union stellte sich hinter die Opposition. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, dass die EU das Parlament als demokratisch gewählte Institution unterstütze und die Stimme des venezolanischen Volkes nicht ignoriert werden dürfe. Zudem forderte sie einen "sofortigen politischen Prozess, der zu freien und glaubwürdigen Wahlen in Übereinstimmung mit der Verfassung" führt. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, er setze auf eine einheitliche Position der EU-Mitgliedstaaten zur "Unterstützung der demokratischen Kräfte" in Venezuela. Der deutsche Außenminister Heiko Maas rief bei einem Washington-Besuch alle Seiten zur Besonnenheit auf.

Derweil stellten sich Mexiko und die sozialistischen Regierungen in Kuba und Bolivien hinter Maduro. "Wir werden nie wieder der Hinterhof der Vereinigten Staaten sein", erklärte der bolivianische Präsident Evo Morales mit Blick auf Washington. Mit Spannung wurde erwartet, ob sich Papst Franziskus auf dem Weltjugendtag in Panama zu der schweren Krise in Venezuela äußern würde. Das Wort des Kirchenoberhaupts hat im katholisch geprägten Lateinamerika großes Gewicht.

Maduro hatte am 10. Jänner offiziell seine zweite Amtszeit angetreten. Der größte Teil der Opposition hatte die Präsidentschaftswahl vom Mai 2018 aber boykottiert und erkennt das Ergebnis ebenso wenig an wie die EU, die USA und zahlreiche lateinamerikanische Länder.

Video: Lateinamerika-Experte Rainer Mostbauer (ORF) in der Zeit im Bild

Erdogan stellt sich hinter Maduro

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich im Machtkampf in Venezuela hinter Staatschef Nicolas Maduro gestellt. Erdogan habe Maduro angerufen und ihm seine Unterstützung versichert, teilt ein Sprecher des türkischen Präsidialamtes auf einem Social Media-Kanal mit. "Mein Bruder Maduro! Bleibe standhaft, wir stehen zu euch", habe Erdogan gesagt.

Die wichtigsten Fragen und Antworten

Bild: Wohin steuert das ölreiche Land in Lateinamerika? Bild: RONALDO SCHEMIDT (AFP)

 

Wie ist die Lage jetzt in Venezuela?

Unübersichtlich. Nachdem sich Guaido vor jubelnden Demonstranten zum Interims-Präsidenten erklärt hatte, schwor Maduro seinerseits seine Anhänger vom Balkon des Präsidentenpalastes auf die Verteidigung seiner sozialistischen Regierung ein. "Hier ergibt sich niemand", rief Maduro. In den Straßen von Caracas und anderen großen Städten des Landes lieferten sich Regierungsgegner unterdessen heftige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften.

Wer ist der selbst ernannte Übergangspräsident Juan Guaido?

Bis vor kurzem war der 35-jährige Ingenieur noch ein unbekannter Hinterbänkler in der entmachteten Nationalversammlung von Venezuela. Weil seiner Partei Voluntad Popular zu Jahresbeginn turnusgemäß der Parlamentsvorsitz zustand und die prominentesten Köpfe inhaftiert oder im Exil sind, fiel Guaido das Amt des Parlamentspräsidenten praktisch in den Schoß. Er ging sofort auf einen harten Konfrontationskurs mit der Regierung und nannte Maduro einen Usurpator - also jemanden, der die Staatsgewalt illegal an sich gerissen hat. Seit Wochen trommelte er für einen Machtwechsel in Caracas. Auf seinem Twitterprofil steht seit Mittwoch: Präsident (übergangsweise) der Bolivarischen Republik Venezuela.

Worauf stützt Guaido seinen Machtanspruch?

Der Parlamentspräsident beruft sich auf die venezolanische Verfassung. Weil die Wiederwahl von Maduro im vergangenen Jahr nicht den demokratischen Regeln entsprach, stellte das Parlament fest, dass es keinen rechtmäßigen Präsidenten gebe. In diesem Fall schreibt die Verfassung in Artikel 233 Neuwahlen vor. In der Zwischenzeit übernimmt der Vorsitzende des Parlaments übergangsweise das Präsidentenamt.

Wer erkennt Guaido als rechtmäßigen Präsidenten an?

Schon wenige Minuten nach seiner Proklamation als Staatschef stellte sich US-Präsident Donald Trump hinter Guaido. Auch Kanada und die meisten lateinamerikanischen Staaten erkannten den Parlamentschef als Interims-Präsidenten an. Die Europäische Union machte auch ihre Unterstützung für das von der Opposition kontrollierte Parlament klar. Gestützt wird Maduro hingegen noch von seinen Verbündeten in Kuba und Bolivien. Auch Mexiko wollte Guaido zunächst nicht anerkennen.

Wie stehen Guaidos Chancen, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen?

Nach derzeitigem Stand der Dinge erst einmal schlecht. Die Opposition ist geschwächt: Zahlreiche Regierungsgegner sitzen in Haft, dürfen sich politisch nicht betätigen oder sind ins Exil gegangen. Die verbliebenen Oppositionellen sind untereinander zerstritten. Zudem wird Maduro noch vom Militär gestützt, das an vielen Schaltstellen der Macht sitzt. "Die Soldaten des Vaterlandes akzeptieren keinen Präsidenten, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt", schrieb Verteidigungsminister Vladimir Padrino auf Twitter.

Welche Reaktion der USA ist denkbar, sollte Maduro nicht abdanken?

Trump hat angekündigt, "das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten" in die Waagschale zu werfen, um Maduro zur Machtübergabe zu zwingen. Zu Wirtschaftssanktionen sagte ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter, in dem Bereich habe man im Fall von Venezuela bisher "kaum an der Oberfläche" des Möglichen gekratzt.

Welche Wirtschaftssanktionen wären vorstellbar?

Bisher haben die USA Sanktionen vor allem gegen regierungstreue venezolanische Funktionäre und Unternehmer verhängt. Denkbar wären zum Beispiel schmerzhafte Sanktionen gegen den Ölsektor des Landes, das die größten Erdölreserven der Welt hat. Trotz der Spannungen sind die USA weiterhin der größte Importeur von Erdöl aus Venezuela. Mehr als 40 Prozent des Rohöls aus dem südamerikanischen Land werden in die Vereinigten Staaten exportiert. Unklar ist, wie die USA diese gewaltige Menge im Fall eines Embargos ersetzen würden.

Sind auch militärische Schritte denkbar?

Trump sagte: "Alle Optionen sind auf dem Tisch." Der Präsident führte das nicht weiter aus, ein hochrangiger US-Regierungsvertreter wollte am Mittwoch aber auf Nachfrage auch eine militärische Option nicht ausschließen. Er sagte auf eine entsprechende Frage: "Wenn wir sagen, dass alle Optionen auf dem Tisch sind, dann heißt das, dass alle Optionen auf dem Tisch sind." Wie ein militärisches Vorgehen der USA aussehen könnte, ist aber unklar. Und Trump ist eigentlich darum bemüht, Auslandseinsätze des US-Militärs zurückzufahren. Zudem könnte eine Militärintervention der USA Maduro politisch in die Hände spielen.

Gibt es einen Ausweg aus der verfahrenen Situation?

Bisher hat Maduro alle Massenproteste gegen seine Regierung blutig niedergeschlagen. 2014 und 2017 gingen Zehntausende Menschen über Wochen hinweg auf die Straße. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften, paramilitärischen Gruppen und Demonstranten kamen insgesamt mehr als 160 Menschen ums Leben. Allerdings war Maduro international noch nie so isoliert wie jetzt.

"Wenn Maduro sich jetzt eine Antwort überlegt, sollten er und seine Verbündeten sich fragen, ob der Erhalt ihres glücklosen Regimes weiteres Blutvergießen wert ist", sagt Benjamin Gedan vom Forschungsinstitut Wilson Center. "Sie werden als Verbrecher in die venezolanische Geschichte eingehen. Aber es gibt immer noch die Chance, einen friedlichen Rücktritt zu verhandeln und eine Inhaftierung in Venezuela oder Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof zu vermeiden."

 

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5  Kommentare
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betterthantherest (33.933 Kommentare)
am 24.01.2019 23:07

Das katastrophale Erbe des Hugo Chavez.
DER Ikone der Fortschrittlichen der 2000er Jahre.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 24.01.2019 14:26

dem Land geht es genauso schlecht wie Kuba als Fidel Castro sein Sozialismus eingeführt hat .

Unglaublich dass ein Land wo Unmengen Ölreserven vermutet werden so arm sein kann ,bzw. von der Politik so runter gewirtschaftet.

Und noch was :
WIE kann Trump ein Tweet aussenden wo er den oppositionellen Kandidat ,nicht offiziell gewählt , als President anerkennen ? traurig traurig

sollte ein Bürgerkrieg ausbrechen ,kennen wir heute schon die Schuldigen die dahinter stecken : USA ! ES GEHT UMS ÖL .

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xerxes (3.689 Kommentare)
am 24.01.2019 11:20

Interessant in diesem Zusammenhang dass die Vorsitzende der Jungen SPÖ Julia Herr Venezuela als Vorbild für Österreich sieht:

https://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/3814421/SPOeJugend_Herr-und-das-Vorbild-Venezuela

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fprands (447 Kommentare)
am 24.01.2019 14:12

Das liegt aber schon einige Jahre zurück, oder?
Seit 2014 hat sich einiges in Venzuela getan - vieles durch Eigenverschulden
Nur:
US-Bilanz: 20 Umstürze und 1,5 Millionen Tote in Lateinamerika seit 1945 (Stand 09.2018)
https://www.nachdenkseiten.de/?p=45924

Da möchte ich nicht wissen, wieviele Verschlechterungen durch Sanktionen und Einmischung auf das Konto der "Guten" zu verbuchen sind.

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lancer (3.688 Kommentare)
am 24.01.2019 08:43

in Venezuela regiert eigentlich das Militär. Ich hoffe das Volk schafft es diesmal wirklich demokratische Strukturen zu schaffen und das Militär zu entmachten. Ist halt schwer, weil das Militär die Waffen hat und es für diese Leute um viel Geld, Macht und Privilegien geht.

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