Unterrichtsreform: Finnland will Schulfächer abschaffen

31.Mai 2017

Das finnische Schulsystem gilt als weltweit führend – nicht zuletzt wegen wiederholter Spitzenplätze bei den PISA-Studien. Mit einer neuen Lehrmethode, dem Phänomen-basierten Lernen (PBL), die heuer erstmals landesweit angewandt wird, geht das Land im Norden Europas jetzt einen Schritt weiter. PBL soll klassische Unterrichtsfächer irgendwann einmal obsolet machen.

Geschult wird bei dieser Methode vor allem die direkte Beobachtungsgabe der Kinder. Denn wer lernt, genau hinzuschauen, falle später nicht so leicht auf "Fake News" herein, so die Hoffnung.

Finnische Lehrer sind deshalb von der Bildungsbehörde in Helsinki angewiesen, möglichst "fächerübergreifend" zu unterrichten. Kollaboratives Arbeiten in der Schule ist dabei angesagt. Soll heißen, Schüler sollen sich einen Interessenschwerpunkt suchen und dann passende Themen rund um diesen Schwerpunkt herum arrangieren. Und das noch dazu möglichst gemütlich.

Geht es etwa um das alte Rom, kann eine Arbeitsgruppe ein römisches Gelage mit den damals verfügbaren Lebensmitteln nachstellen. Eine andere kann unterdessen versuchen, das Kolosseum mit dem 3D-Drucker nachzubilden und eine dritte vielleicht ein Brettspiel zum Thema entwickeln.

"Die Welt da draußen"

Wichtig ist es der Behörde und deren bekannter Leiterin Marjo Kyllönen, die Schüler bei ihrer Suche nach innovativen Lösungen zu ermutigen und keinesfalls am vorgegebenen Unterrichtsmaterial hängen zu bleiben. Gerade "die Welt da draußen" soll die Quelle der Erkenntnis sein. Und wenn vom alten Rom auf der Straße keine Spuren zu finden sind, geht man eben ins Museum oder befragt einen Experten von der Universität, wie es den Römern im damaligen Alltag wirklich ergangen sein könnte.

Ältere Schüler führen, wie das britische Fernsehen (BBC) in seiner Reportage aus dem kleinen finnischen Ort Hauho berichtet, Straßenumfragen zum Thema Einwanderung und Flüchtlinge durch, um ein Gefühl für die Haltung der Menschen zu bekommen. Anschließend fahren die 15-Jährigen in ein Flüchtlingsheim, um auch dort Interviews zu führen. Ihre Eindrücke teilen sie dann per Video-Livestream mit einer Partnerschule in Deutschland, die ein ähnliches Projekt durchführt.

Eigene Beobachtung schulen

PBL oder "Phänomen-Unterricht" lautet der Fachbegriff für diese Form des Lernens, die dafür sorgen soll, dass die Schüler ihre Schule als kritische Geister verlassen. Kirstin Lonka, Professorin für Erziehungspsychologie an der Universität Helsinki, nannte gegenüber BBC eines der wichtigsten Argumente für PBL: Im 21. Jahrhundert werde es immer wichtiger, "Fake News" von Fakten zu unterscheiden. Und das könne eben derjenige am besten, der die eigene Beobachtung schule.

Ein Schubladendenken in Schulfächern sei da nur hinderlich: "Im echten Leben ist unser Gehirn ja auch nicht in Scheibchen aufgeteilt, die unterschiedlichen Disziplinen zugeordnet sind. Vielmehr funktioniert unser Denken immer ganzheitlich."

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