Ungarns Regierungschef Viktor Orban gesteht einige Fehler ein

Von schwi   19.Jänner 2012

Nach der Einleitung von drei Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission wählte Orban die Offensive. Und das EU-Parlament bot ihm gestern eine noch nie da gewesene Plattform, um sich mitten in der Höhle des Löwen zu verteidigen. Herausgekommen ist eine Grundsatzdebatte über die Wahrung der Demokratie in der EU, die zwar auch von Polemik zwischen dem rechten und linken politischen Lager geprägt war. Dennoch war es ein Beispiel dafür, wie künftig Meinungsunterschiede in der EU offen im Miteinander ausgetragen werden können.

Große Töne spuckte Orban nur im Vorfeld. Im Plenum des Parlaments gab sich Ungarns Premier dann aber sehr zahm und zeigte seine Verhandlungsbereitschaft über die Kritik an neuen Gesetzen, die nicht mit EU-Recht konform gehen. Danach verfolgte Orban relativ entspannt die Debatte, in der ihm die Vertreter der Europäischen Volkspartei stark die Mauer machten.

Deal mit der EVP

Der Deal mit Viktor Orban, nach wie vor Vizepräsident der EVP, dürfte gewesen sein: Er lenkt ein, dafür stellt sich die Fraktion hinter ihn. EU-Kommissionspräsident Barroso rief seinen Parteifreund erneut auf, im gesamteuropäischen Interesse die entsprechenden Gesetze zu ändern.

Dazu scheint Orban auch bereit zu sein. Der Regierungschef relativierte die Verletzung von EU-Recht mit dem Hinweis darauf, dass seine mit Zweidrittelmehrheit agierende Partei bisher 356 Gesetze verabschiedet habe. Die Umgestaltung Ungarns sei auf der Basis europäischer Werte erfolgt. Bei einem so hohen Reformtempo gebe es natürlich Streitfragen.

Sozialdemokraten, Liberale und Grüne sind im EU-Parlament auch dafür, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags einzuleiten, weil aufgrund vieler bisher noch nicht angesprochener Kritikpunkte die europäischen Werte gefährdet seien. Das könnte nicht nur zu Klagen beim EU-Gerichtshof, sondern auch zur Suspendierung von Rechten eines EU-Mitglieds führen.

 

Die Vorwürfe der EU gegen Ungarn

• Unabhängige Nationalbank: Im Artikel 130 AEUV (Vertrag über die EU-Arbeitsweise) ist geregelt, dass die Nationalbanken völlig unabhängig sein müssen. Das sieht die Kommission im Nationalbankgesetz („Magyar Nemzeti Bank“, MNB) gefährdet, weil Minister an den Sitzungen des Währungsrats teilnehmen, so dass die Regierung von innen Einfluss auf die MNB nehmen kann. Zudem muss die MNB der Regierung im Voraus die Tagesordnung der Sitzungen vorlegen.

• Unabhängige Justiz: Das Pensionsalter für Richter und Staatsanwälte wurde von 70 auf 62 Jahre gesenkt. Das widerspricht der EU-Richtlinie über Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, nach der das Pensionsalter nicht ohne objektive Gründe für eine Berufsgruppe gesenkt werden darf. Diese hat die Kommission nicht gefunden.

• Unabhängige Datenschützer: Der ungarische Premier und Präsident können den Datenschutzbeauftragten willkürlich entlassen. Nach Art. 16 AEUV muss die Datenschutzbehörde aber unabhängig agieren können.