Sex-Skandal erschüttert das britische Kabinett

Von Jochen Wittmann aus London   03.November 2017

Um Vorwürfen des Kontrollverlusts vorzubeugen, hat die britische Premierministerin Theresa May am Donnerstagmorgen umgehend auf den Rücktritt von Sir Michael Fallon reagiert. May ernannte Gavin Williamson zum neuen Verteidigungsminister.

Williamson (41) diente zuvor als parlamentarischer Geschäftsführer der Konservativen Partei und ist einer der engsten Gefolgsleute der Premierministerin. Als Kampagnenmanager Mays hatte er ihre Wahl zur Parteivorsitzenden betrieben und gilt als entschiedener Gegner von Außenminister Boris Johnson. Unter seinen Kollegen ist Williamson wegen seines kompromisslosen Stils als "Meuchler mit dem Milchgesicht" bekannt.

Fallon musste zurücktreten, nachdem im Zuge der Affäre um Hollywood-Mogul Harvey Weinstein auch in der britischen Politik Fälle von sexueller Belästigung bekannt wurden. Fallon hatte vor 15 Jahren, damals noch ein einfacher Hinterbänkler der Konservativen Partei, während eines privaten Mittagessens seine Hand auf das Knie der Journalistin Julia Hartley-Brewer gelegt. Die nahm sie weg, er platzierte seine Finger erneut an der gleichen Stelle. Daraufhin, so Hartley-Brewer, habe sie ihm "ruhig und höflich erklärt, dass, tue er es nochmals, ich ihm ins Gesicht schlagen würde". Da habe Fallon seine Hand zurückgezogen.

"Hexenjagd"

Doch obwohl die Journalistin kein Aufhebens um die Geschichte machen wollte, beendete sie die Karriere des 65-jährigen Verteidigungsministers, weil die Enthüllungen über Sexismus im Regierungsviertel Westminster in den vergangenen Tagen eine fiebrige Atmosphäre haben entstehen lassen, die Hartley-Brewer selbst als "Hexenjagd" empfindet und alles andere als gutheißt.

Fallon begründete seinen Rücktritt damit, dass er "in der Vergangenheit nicht die hohen Standards erfüllt habe, die wir von unseren Streitkräften, die ich repräsentiere, erwarten". Doch es war wohl nicht nur das Knie der Journalistin, das ihm zum Verhängnis wurde. Fallon musste, wie britische Medien berichten, wohl auch deswegen seinen Hut nehmen, weil er gegenüber der Premierministerin nicht garantieren konnte, dass nicht weitere einschlägige Fauxpas ans Licht kommen.

Neben Fallon sind einige weitere konservative Politiker von dem sich ausbreitenden Sexismus-Skandal betroffen. Den Staatssekretär im Handelsministerium Mark Garnier erwarten jetzt disziplinarische Untersuchungen, nachdem er zugab, seine Sekretärin gebeten zu haben, für ihn zwei Vibratoren in einem Sex-Shop zu kaufen.

40 Abgeordnete unter Verdacht

Der Tory-Abgeordnete Stephen Crabb sandte sexuell explizite SMS an eine 19-jährige Frau, die sich erfolglos um einen Job bei ihm beworben hatte. Und Premierministerin May ist auch deswegen unter Druck, weil diese Fälle nur die Spitze des Eisbergs zu sein scheinen. Zurzeit kursiert eine Liste in den sozialen Medien, die gut 40 Abgeordnete der Konservativen nennt, die sexuelle Verfehlungen begangen haben oder eine "gesteigerte Libido" aufweisen. Unter den Genannten sind 15 Mitglieder ihrer Regierung, darunter auch Kabinettsminister.