"Schlechter Witz": EU-Partner kritisieren Österreich

Von nachrichten.at/apa   27.März 2018

"Neutralität für einen EU-Mitgliedsstaat ist ein schlechter Witz", twitterte der frühere lettische Außenminister Artis Pabriks am Dienstag. "Welche weiteren EU-Politiken/-Entscheidungen lässt (Bundeskanzler Sebastian) Kurz nicht in Österreich gelten?" 

Der EU-Abgeordnete Pabriks meldete sich in einer vom früheren schwedischen Außenminister Carl Bildt begonnenen Twitter-Diskussion zu Wort. Der konservative Politiker hatte unter Verweis auf die Begründung für die Nichtteilnahme Österreichs an der Aktion zur Ausweisung russischer Diplomaten gemeint, dass "die Neutralität kaum mit der EU-Mitgliedschaft kompatibel" sei. Auch sei es "ein großer Unterschied, Teil des Westens zu sein oder eine Brücke zwischen dem Westen und dem Osten", bemängelte der als Transatlantiker geltende Bildt. Pabriks und Bildt gehören der Europäischen Volkspartei (EVP) an, deren Mitglied auch die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz ist.

Kritisch äußerte sich auch der ehemalige OSZE-Sonderbeauftragte zum Kampf gegen Radikalisierung, Peter Neumann. "Das ist Österreich, wie es seine Brücken zum Westen niederbrennt", sagte der Londoner Terrorexperte, der im Vorjahr vom damaligen Außenminister Kurz in dessen Eigenschaft als OSZE-Vorsitzender zum Sonderbeauftragten der Sicherheitsorganisation gemacht worden war.

In den Diskussionen meldete sich mehrmals auch der Pressesprecher des Bundeskanzlers, Etienne Berchtold, zu Wort. Er wies darauf hin, dass auch andere Staaten wie Portugal, Luxemburg oder Griechenland sich nicht an der Ausweisung der russischen Diplomaten beteiligt hätten. Anders als Frankreich nach den Terroranschlägen im Jahr 2015 habe Großbritannien bisher nicht die EU-Solidaritätsmechanismen aktiviert, replizierte Berchtold auf den Hinweis von Bildt, dass Österreich nach Artikel 42.7 des EU-Vertrags die Verpflichtung habe, angegriffenen EU-Staaten Beistand zu leisten.

Kneissl: "Wir brennen hier überhaupt nichts nieder"

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat die jüngste Kritik an der Entscheidung Österreichs, in der Giftaffäre keine russischen Botschafter aus dem Land zu weisen, zurückgewiesen. "Wir brennen hier überhaupt nichts nieder", sagte Kneissl am Dienstagabend in Belgrad gegenüber der APA. "Wir sind zweifellos ein Land des Westens", betonte sie. Wer das anzweifle, "weiß nicht, wovon er spricht".

Auf die Frage, ob der Verzicht auf eine Ausweisung von russischen Botschaftern eine Entscheidung "für Russland gewesen" sei, antwortete Kneissl: "Es war eine Entscheidung für die Aufrechterhaltung unseres diplomatischen Radius."

Auch Belgien weist einen russischen Diplomaten aus

Österreich ist mit seiner Position in der Russland-Giftaffäre innerhalb der Europäischen Union zunehmend isoliert. Nach dem neutralen Irland hat sich am Dienstag auch Belgien der konzertierten Aktion zur Ausweisung russischer Diplomaten angeschlossen. Belgien weise einen russischen Diplomaten aus, teilte Ministerpräsident Charles Michel nach einer Regierungssitzung in Brüssel mit.

Die Entscheidung erfolgte, nachdem zuvor die in NATO, deren Sitz sich in der belgischen Hauptstadt Brüssel befindet, die Ausweisung von sieben russischen Diplomaten verkündet hatte. Mit der Umsetzung dieser Entscheidung wurde Belgien als Sitzstaat betraut.

Mit Belgien machen bereits 19 EU-Staaten bei der Aktion mit. Luxemburg und Malta begründeten ihren Verzicht mit der Furcht, dass russische Vergeltungsmaßnahmen ihre kleinen Botschaften in Moskau lahmlegen könnten. Portugal begrüßte die konzertierte Aktion der anderen EU-Staaten, schloss sich ihr zunächst aber nicht an. In der Slowakei übte Staatspräsident Andrej Kiska scharfe Kritik am Abseitsstehen der sozialdemokratisch geführten Regierung. In Slowenien berief der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses, der Christdemokrat Jozef Horvat, eine Sondersitzung ein, um der Mitte-Links-Regierung den Auftrag zur Beteiligung an der Aktion zu erteilen.