Madrid fordert Neuwahlen in Katalonien

Von nachrichten.at/APA   06.Oktober 2017

 

Das katalanische Parlament kommt offiziellen Angaben zufolge am Dienstag um 18.00 Uhr zusammen. Dann werde Regierungschef Carles Puigdemont das Plenum über die "aktuelle politische Situation" nach dem Unabhängigkeitsvotum informieren, teilte Parlamentspräsidentin Carme Forcadell am Freitag über Twitter mit.

Die Zeitung "El Mundo" hatte berichtet, Separatistenparteien arbeiteten nach eigenen Angaben aktiv an einer Unabhängigkeitserklärung für Katalonien, die dem Regionalparlament am Dienstag vorgelegt werden solle. Niemand gehe von Verzögerungen aus. 

Das spanische Verfassungsgericht hatte am Donnerstag die ursprünglich für Montag geplante Sitzung des katalanischen Parlamentes untersagt. Das Regionalparlament werde zusammentreten, um die Konsequenzen aus dem Volksabstimmung zu ziehen, bei der sich die große Mehrzahl der Abstimmenden für die Unabhängigkeit von Spanien ausgesprochen hatte, sagte gestern hingegen ein Vertreter der Regionalregierung. Die Sitzung all am Dienstag stattfinden. Schon das Referendum war von der Justiz untersagt worden - ohne Konsequenzen.

Die spanische Zentralregierung in Madrid rief unterdessen zu Neuwahlen auf. Zur Beilegung der Krise zwischen der Regionalregierung und Madrid sollten Wahlen abgehalten werden, sagte Regierungssprecher Inigo Mendez de Vigo am Freitag. "Es wäre gut, damit zu beginnen, diese Wunde zu schließen."

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Verhärtete Fronten

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy lehnt jeden Dialog mit der Regionalregierung Kataloniens ab. In der Nacht zum Donnerstag wies er ein neues Gesprächsangebot der Separatisten energisch zurück. "Sie haben schon viel Schaden verursacht, ziehen Sie die Drohung einer Abspaltung zurück", hieß es in einem Kommunique an die Adresse des katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont.

Rajoys Amtsvorgänger und Parteifreund Jose Maria Aznar kritisierte die Passivität der Regierung und brachte sogar Neuwahlen ins Spiel. Der Regierungschef müsse nun Härte zeigen oder Platz für eine andere Regierung machen, hieß es in einer Analyse seiner Stiftung Faes. Der 64-Jährige gehört wie Rajoy der konservativen Volkspartei (PP) an und hatte Spanien von 1996 bis 2004 regiert.

Puigdemont hatte Madrid zuvor zu Verhandlungen aufgerufen. Er habe bereits viele Vermittlungsangebote erhalten und "es wäre unverantwortlich", diese nicht anzunehmen, erklärte der 54-Jährige in einer Fernsehansprache in Barcelona. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Pläne zur Ausrufung der Unabhängigkeit auf jeden Fall verwirklicht werden sollen.

EU-Kommissar Günther Oettinger warnte derweil vor der Gefahr einer dramatischen Eskalation: "Die Lage ist sehr, sehr besorgniserregend. Da ist ein Bürgerkrieg vorstellbar, mitten in Europa", sagte er bei einer Podiumsdiskussion in München. "Man kann nur hoffen, dass zwischen Madrid und Barcelona bald ein Gesprächsfaden aufgenommen wird." Die EU könne sich in den Streit aber nicht aus eigenem Antrieb einmischen. "Eine Moderation durch die EU wäre nur denkbar, wenn wir gefragt werden, aber nicht ungefragt", betonte Oettinger.

Wirtschaftliche Konsequenzen

Derweil hat die Krise erste wirtschaftliche Auswirkungen. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) drohte Katalonien jetzt mit einer schlechteren Einschätzung der Kreditwürdigkeit. Die spanische Region wurde auf "credit watch negative" gesetzt. Laut S&P könnte die Region in Schwierigkeiten kommen, sich kurzfristig selbst zu finanzieren. Eine Entscheidung über die Kreditbewertung soll in den nächsten drei Monaten fallen.

An dem Referendum beteiligten sich 42 Prozent der Stimmberechtigten; 90 Prozent stimmten für die Unabhängigkeit. Jedoch waren die Gegner einer Abspaltung der Wahl überwiegend ferngeblieben.

Analyse: Beobachter hatten erwartet, dass die Regionalregierung in Katalonien auf der Sitzung die Unabhängigkeit ausruft. Josef Manola analysiert die Lage vor Ort, Rebekka Salzer erklärt in Brüssel die Rolle der EU.