"Lassen uns von den USA nicht in die Ecke treiben"

Von OÖN   17.Mai 2018

Nach Wochen der Sonnenscheinpolitik ziehen nun plötzlich wieder dunkle Wolken auf: Nordkorea hat den USA im Ringen um eine Lösung des Atomkonfliktes überraschend mit einem Platzen des Gipfels von Kim Jong-un und Donald Trump gedroht. Das Treffen der beiden Staatschefs ist für 12. Juni in Singapur angesetzt.

Nordkoreas Vize-Außenminister Kim Kye-gwan warf dem Weißen Haus vor, sein Land "in die Ecke treiben zu wollen, um es zum einseitigen Verzicht auf Atomwaffen zu zwingen". In diesem Fall werde Nordkorea keine andere Wahl haben, "als das Zustandekommen des nordkoreanisch-amerikanischen Gipfels zu überdenken", wurde der Vize-Außenminister gestern von den Staatsmedien zitiert. Plane die Regierung von US-Präsident Donald Trump hingegen einen Gipfel mit ehrlicher Absicht, wolle sein Land angemessen reagieren.

Die Vorwürfe Nordkoreas nährten die Sorge, dass sich der Ton im Atomstreit nach den versöhnlichen Gesten der vergangenen Wochen wieder deutlich verschärfen könnte. Der Streit gilt als einer der gefährlichsten Konflikte der Weltpolitik. Nordkorea verfügt nach eigenen Angaben über Raketen, die einen Atomsprengkopf bis auf das US-Festland befördern können.

Kim Kye-gwan nahm Anstoß an Äußerungen des neuen Trump-Sicherheitsberaters John Bolton und anderer US-Regierungsvertreter, wonach Nordkorea bei der atomaren Abrüstung dem "Modell Libyen" folgen solle. Es sei "vollkommen absurd, die Volksrepublik, einen Atomwaffenstaat, mit Libyen zu vergleichen, das auf einer anfänglichen Stufe zu einer Atommacht stand", sagte Kim.

Treffen mit Südkorea abgesagt

Libyen hatte 2003 erklärt, seine Massenvernichtungswaffen im Gegenzug für die Aufhebung von Sanktionen zu zerstören. Machthaber Muammar al-Gaddafi wurde Jahre später von Aufständischen getötet; die westlichen Atommächte unterstützten damals die Rebellen.

Nordkoreas Vize-Außenminister erklärte außerdem, dass es Pjöngjang kategorisch ablehne, das Atomwaffenarsenal des Landes im Gegenzug für Wirtschaftshilfen aufzugeben.

Schon vor der Erklärung hatte Pjöngjang ein Manöver der Luftstreitkräfte der USA und Südkoreas zum Anlass genommen, ein für gestern angesetztes, hochrangig besetztes Versöhnungstreffen mit Südkorea abzusagen.