Julia Skripal will keinen Kontakt zur russischen Botschaft

Von nachrichten.at/apa   12.April 2018

"Im Moment möchte ich von deren Leistungen nicht Gebrauch machen. Aber wenn ich meine Meinung ändere, lasse ich sie es wissen", teilte die 33-jährige Russin am Mittwochabend in einer über Scotland Yard verbreiteten Stellungnahme mit.

Sie möchte auch keinen Kontakt zu ihrer Cousine Viktoria Skripal in Russland haben. "Ihre Meinungen und Behauptungen sind nicht meine und die meines Vaters." Die Cousine spielt eine undurchsichtige Rolle. Unter anderem hatte sie behauptet, die Skripals könnten auch unter einer Fischvergiftung leiden. London fürchtet nach einem BBC-Bericht, dass sie vom Kreml instrumentalisiert wird.

Julia Skripal war am vergangenen Montag aus der Klinik im südenglischen Salisbury entlassen worden. Sie ist nach eigenen Angaben an einem sicheren Ort. Ihr Vater, der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal, wird noch in der Klinik behandelt.

Tochter und Vater waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in Salisbury gefunden worden. Nach britischen Ermittlungen wurden sie mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet. Die Substanz wurde einst in der Sowjetunion hergestellt. London bezichtigt Moskau, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Der Kreml wies dies vehement zurück. Der Fall löste eine schwere diplomatische Krise aus.

Londons Botschafter betont Kooperation mit Moskau

Nach den massiven Irritationen in der Giftaffäre betont London seinen Willen zur Zusammenarbeit mit Moskau. "Wir wollen eng zusammenarbeiten mit Russland in vielen Bereichen", sagte der britische Botschafter in Österreich, Leigh Turner, am Mittwochabend im der Sendung "Pro und Contra" von Puls 4. FPÖ-Klubchef Johann Gudenus verteidigte die Zurückhaltung Österreichs: "Es geht um den Weltfrieden."

Russland könne etwa in der Iran-Frage "eine positive Rolle spielen", sagte Turner, der zugleich die scharfe Reaktion seines Landes auf den Giftanschlag in Salisbury verteidigte. "Ich würde nicht sagen, dass wir sehr schnell waren", wies Turner den Vorwurf des überstürzten Handelns zurück und bekräftigte die mehrmals von London dargelegte Argumentation, dass nur Russland hinter dem Anschlag stecken könne. Man müsse sich vorstellen, wie Österreich reagiert hätte, wenn etwas Ähnliches "in Klosterneuburg, oder in Linz, oder in Graz" auf offener Straße passiert wäre.

Dagegen hielt Gudenus dem Westen vor, gegenüber Russland mit zweierlei Maß zu messen. "Bei jedem Mucks, den Putin tut", rege man sich auf, während das NATO-Mitglied Türkei einen Angriffskrieg in Syrien führen dürfe, sagte er. Die Diskussion über den Giftanschlag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia im südenglischen Salisbury sei eine "Beleidigung für den gesunden Menschenverstand", kritisierte Gudenus fehlende Beweise. "Wir sind ja nicht im Kindergarten. Es geht um den Weltfrieden", sprach Gudenus von einer "sehr gefährlichen Spirale der Eskalation". Er sei "stolz" auf die Position Österreichs.

Scharf replizierte Gudenus auch auf den Vorhalt des Grünen Europaabgeordneten Michel Reimon, der auf den von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mitgetragenen Beschluss des EU-Gipfels verwiesen hatte, wonach höchstwahrscheinlich Russland hinter dem Anschlag stecke. Reimon sei jemand, "der für die Auflösung Österreichs ist, der ein Staatsfeind sein könnte", sagte der FPÖ-Vizechef. "Immer, wenn es darum geht, dass die NATO eskaliert, ist die Grüne Partei dabei."

Reimon wies darauf hin, dass Russland weder wirtschaftlich noch militärisch in der Lage sei, Europa zu bedrohen. Das deutsche und französische Militär seien größer als das russische, und die russische Wirtschaftskraft sei nur drei Mal so groß wie jene Österreichs. Deshalb sei der russische Präsident Wladimir Putin "hochinteressiert daran, die Europäische Union zu spalten", kritisierte der Grün-Abgeordnete die "massiven" Zuwendungen Russlands für rechte, aber auch linke Parteien in Europa. Zugleich betonte auch Reimon: "Wir dürfen uns nicht in eine Eskalation mit Russland treiben lassen."

Zerpflückt wurde die westliche Argumentation in der Giftaffäre vom Chefredakteur des russischen Auslandssenders RT in Berlin, Ivan Rodionov. Warum hätte Russland einen "absolut wertlosen Agenten" wie Skripalumbringen sollen, noch dazu "auf absurde Weise, die eine fette Spur hinterlässt", sagte er mit Blick auf das in der Sowjetunion entwickelte Nervengift Nowitschok. Tatsächlich werde dieses aber in einem acht Kilometer vom Tatort entfernten "Geheimlager" der britischen Regierung gelagert, sagte Rodionov - was von Botschafter Turner umgehend zurückgewiesen wurde. Radionov stellte auch die These in den Raum, dass der britische Geheimdienst MI6 hinter dem Anschlag stecken könnte. Es könnte nämlich sein, "dass der jetzige Arbeitgeber MI6 die Gehaltsliste optimieren wollte", sagte der RT-Chefredakteur zynisch.

"Vor dem Irak-Krieg war die Beweislage viel stärker", sagte Rodionov, der Kritik an seiner Rolle als Propagandist des Kreml umgehend an die westlichen Medien zurückgab. Diese würden das "Narrativ" der westlichen Regierungen in dem Konflikt mit Russland überhaupt nicht hinterfragen. Tatsächlich gehe es darum, dass Großbritannien und die EU einen Außenfeind brauche. Weil die Brexit-Gespräche nicht vorankommen, "zündet man eine Nebelkerze mit Skripal", sagte er in Anspielung auf die innenpolitischen Probleme der britischen Premierministerin Theresa May. Ähnlich gehe es den EU-Staaten, die davon ablenken wollten, dass sie eine EU erschaffen hätten, "aus der die Briten jetzt fliehen".