In den USA gibt es mehr Waffen als Einwohner

Von Thomas Spang aus Washington   05.Oktober 2017

1735 Tage, 1516 Schießereien mit je mehr als drei Toten: Das ist der blutige Alltag in einem Land, in dem es mehr Waffen als Einwohner gibt. Massenschießereien gehören in den USA so sehr zum Alltag, dass sie nur noch dann wahrgenommen werden, wenn sie eine bestimmte Aufmerksamkeitsschwelle überschreiten. Ganz zu schweigen von den individuellen Morden und Selbstmorden, die den allergrößten Teil der mehr als 32.000 Opfer des Waffenkults ausmachen.

Das Risiko, in den USA durch eine Schusswaffe getötet zu werden, ist 13 Mal so groß wie in Österreich. Wobei Massenschießereien eine Eigenheit der US-Gesellschaft sind. Obwohl hier weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung leben, ereignet sich hier fast ein Drittel aller Massaker.

Jede zweite Waffe in US-Besitz

Wissenschafter haben wiederholt den Zusammenhang zwischen Waffenbesitz und -gewalt aufgezeigt. Ein Vergleich von 130 Untersuchungen in zehn Ländern im Fachmagazin "Epidemiologic Reviews" aus 2016 belegt, dass Länder mit strikteren Regulierungen geringere Opferzahlen haben.

Genau hier sehen Experten ein Problem, das die Situation in den USA besonders macht: die schiere Menge an Waffen, die sich im Umlauf befindet. Selbst bei einer Regulierung wären noch mehr als 300 Millionen Waffen im Umlauf.

Kein politischer Wille

Mehr als weltweit die Hälfte aller privaten Schießeisen befindet sich in US-Besitz. Etwa vier von zehn US-Bürgern besitzen eine Waffe. Wobei drei Prozent aller Waffenbesitzer – wie der Täter von Las Vegas – zu den "Besessenen" gehören, die im Schnitt 17 Waffen haben. Hinzu kommt – und auch das ist einzigartig in der westlichen Welt – ein in der Verfassung garantiertes Recht, Waffen zu tragen.

Das "Second Amendment" schafft so etwas wie einen individuellen Rechtsanspruch auf alles, was schießt und knallt. Das beschränkt die Möglichkeiten der Gesetzgeber, regulierend einzugreifen. Allerdings fehlt auch der politische Wille dazu. Die Satire-Seite "The Onion" brachte das nach dem "Mandalay-Massaker" so auf den Punkt: ",Keine Chance, so etwas zu stoppen’", sagt die einzige Nation, wo so etwas regelmäßig passiert."

Mächtige Waffenlobby

Das entspricht auch der Reaktion von Präsident Donald Trump, der vom Wirken des "Bösen" spricht und "Gebete" anbietet – aber nichts an den laxen Waffengesetzen ändern will. Auch die Republikaner im Kongress machen keine Anstalten, obwohl Umfragen zeigen, dass die große Mehrheit der Amerikaner Regulierungen wünscht.

Das liegt an der mächtigen Waffenlobby, die Amerikas Politik fest im Griff hat. Die "National Rifle Association" (NRA) vertritt fünf Millionen Mitglieder und ist so mächtig, dass sich Abgeordnete im Kongress aus Sorge um ihre Wiederaufstellung bei den Vorwahlen nicht zu widersprechen trauen. Im Wahlkampf unterstützte die NRA Trump mit 30 Millionen Dollar. Und seit dem Massaker an 20 Grundschulkindern 2012 in Sandy Hooks scheiterten mehr als 100 Gesetzesinitiativen im Kongress.