Friedensnobelpreis an Anti-Atomwaffenkampagne

Von nachrichten.at/APA   06.Oktober 2017

Die Organisation erhalte die Auszeichnung für "ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen von Atomwaffen zu lenken", wie das norwegische Nobelkomitee in Oslo bekanntgab. "ICAN" habe sich bahnbrechend um ein vertragliches Verbot solcher Waffe bemüht, hieß es.

ICAN mit Sitz in Genf ist ein Bündnis von 450 Friedensgruppen, die sich weltweit für Abrüstung einsetzen. Die Generalsekretärin, die Schwedin Beatrice Fihn, ist erst 34 Jahre alt. Zu den ICAN-Mitgliedern gehören etwa die internationale Juristenvereinigung gegen Atomwaffen, der Internationale Gewerkschaftsbund und aus Deutschland das Forum Friedensethik (FFE) der Evangelischen Landeskirche in Baden.

ICAN-Geschäftsführerin Fihn zeigte sich überwältigt: "Wir bekamen den Anruf nur ein paar Minuten vor der offiziellen Verkündung", sagte die 34Jährige. “Wir waren schockiert, dann haben wir gekichert und einen Moment gedacht, der Anruf war vielleicht ein Scherz." Sie seien zutiefst dankbar, sagte Fihn.

In Wien gegründet

Gegründet wurde die Organisation 2007 in Wien. Bei einer Konferenz des Atomwaffensperrvertrags in Wien kamen die Gruppen vor zehn Jahren zusammen, um sich gemeinsam für einen Vertrag gegen Atomwaffen einzusetzen. Treibende Kraft waren nicht Regierungen, sondern Zehntausende Aktivisten in mehr als 100 Ländern. Im Juli 2017 wurde das Vertragswerk unterzeichnet. Es verbietet Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen und kam gegen den Widerstand der Atommächte und den mit ihnen verbündeten Staaten zustande.

Vorbild für ICAN waren andere Abrüstungsverträge: zum Beispiel das internationale Übereinkommen zum Verbot von Landminen, oder die Verträge zum Verbot von Streumunition oder von chemischen Waffen. Bei solchen Abkommen auf Initiative der Zivilgesellschaft rücken immer die verheerenden Folgen der Waffen für die Bevölkerung ins Zentrum.

Die internationale Ächtung der Waffen setze Regierungen unter Druck, die nicht unterzeichnen, so ICAN. Für Generalsekretärin Fihn ist die Sache einfach: "Ist es akzeptabel, Hunderttausende Menschen umzubringen oder nicht? Wenn nicht, müssten Atomwaffen verboten werden", sagte sie vor der Preisverkündung.  Der Vertrag tritt in Kraft, wenn 50 Mitglieder ihn ratifiziert haben. Fehn rechnet damit bis Ende nächsten Jahres. Keiner der Atomländer hat ihn unterzeichnet. Mitglieder des nordatlantischen Atombündnisses (NATO) sagen, das sei mit der NATO-Mitgliedschaft nicht vereinbar.

Gratulationen aus aller Welt

Gratulationen kamen aus aller Welt. "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung für eine Welt ohne Atomwaffen einzustehen", schrieb unter anderen  Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf Twitter.

318 Anwärter in diesem Jahr

Die Jury hatte sich in diesem Jahr unter 318 Anwärtern entscheiden müssen - 215 Personen und 103 Organisationen waren für den Preis vorgeschlagen. Im vergangenen Jahr hatte das Nobelkomitee Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos ausgezeichnet.

Die Bekanntgabe des Friedensnobelpreisträgers ist jedes Jahr der Höhepunkt in der Reihe der sechs Nobelpreis-Verkündungen. Er gilt als wichtigste Auszeichnung weltweit und hat einen hohen politischen Stellenwert. Theoretisch hat die Jury über den Preis die Möglichkeit, in einen aktuellen Konflikt einzugreifen. Deshalb erscheint es nur logisch, dass die Entscheidung für den ein oder anderen Kandidaten nicht überall auf Gegenliebe stößt. Aber: Die meisten Preisträger der vergangenen Jahrzehnte besitzen bis heute international hohes Renommee.

Der Ruf hat gelitten

Manche Entscheidungen erscheinen allerdings rückblickend fragwürdig. Dies zeigt zuletzt die scharfe Kritik an der Friedensnobelpreisträgerin von 1991, Aung San Suu Kyi. Seinerzeit wurde sie als Ikone des friedlichen Kampfes für Freiheit und Demokratie gefeiert. Heute ist sie Regierungschefin in Myanmar. Ihre heute passive Haltung zur Unterdrückung und Verfolgung der Rohingya-Minderheit steht für viele in krassem Widerspruch zur Ehrung von einst. Viele fordern deshalb, ihr den Preis wieder abzuerkennen. Dies ist laut den Statuten des Preises jedoch nicht möglich.

Heftig kritisiert wurde das Nobelkomitee auch für die Preisverleihung 1994 an Palästinenserführer Jassir Arafat, Israels Premier Jizhak Rabin und Außenminister Schimon Peres. Die Kritik damals: Peres sei einer der Väter des israelischen Atomwaffenprogramms, Arafat ein Terrorist.

2009 bekam US-Präsident Barack Obama den Preis und das Komitee neuen Ärger. Obama war noch kein Jahr im Weißen Haus, hatte große Ziele, aber nicht allzu viel erreicht und wurde später wegen amerikanischer Drohnenangriffe kritisiert, bei denen viele Zivilisten ums Leben gekommen sind.

Der mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940.000 Euro) dotierte Friedensnobelpreis wird als einzige der renommierten Auszeichnungen nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo vergeben. Hier wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter Alfred Nobel, auch verliehen.

Weitere Inhalte: