Als die Bomber ein letztes Mal über Linz zogen

Von Markus Staudinger   25.April 2015

Die Sirene heulte dreimal konstant. "Wieder einmal Voralarm", stöhnten etliche Linzer. Voralarm hieß noch nicht viel.

Doch als an diesem 25. April des Jahres 1945 wenig später der Sirenenton wechselte – zu einem laut an- und abschwellenden Heulton, Hauptalarm – brach Hektik aus. Gestartet im süditalienischen Foggia, zogen am späten Vormittag erneut Bomber der 15. US-Luftflotte über die Landeshauptstadt – und ließen ihre tödliche Fracht fallen.

Es sollte der letzte große Fliegerangriff auf eine österreichische Stadt werden.

Für 360 Linzer war es der letzte Tag ihres Lebens. Für Fritz Johann Langthaler – damals sechs Jahre alt – wurde es der Tag, den er sein Leben lang nicht vergisst. Er hatte gemeinsam mit seiner Mutter Theresia und seinem kleinen Bruder Karl im Keller des Gasthauses "Zur neuen Welt" in der Wiener Straße Schutz gesucht.

"Dunkles, staubiges Verlies"

Rund 20 Leute warteten dort angespannt. "Dann sind die dumpfen Schläge immer näher gekommen", erinnert sich Langthaler. Mehrere Bomben trafen das Gasthaus. "Im Keller ist das Licht ausgegangen, es wurde stockfinster. Im hinteren Raum ist ein Gewölbe eingestürzt, da hörte ich Schreie."

Vier Menschen starben, wie er später erfahren sollte. Er selbst harrte mit seinem Bruder an der Seite der Mutter aus. "Die Luft war stickig und staubig", sagt Langthaler. "Meine Mutter hat ihre Weste ausgezogen, sie mit Wasser getränkt und uns vor den Mund gehalten." Erst gegen 18 Uhr kam Rettung. Helfer befreiten die Überlebenden aus dem verschütteten Keller. "Aus unserem Verlies", sagt Langthaler.

Mutter Langthaler und ihre Buben machten sich auf den Weg nach Hause. Bei der Herz-Jesu-Kirche kam ihnen der Vater entgegen – verzweifelt auf der Suche nach seinen Liebsten. "Wie wir uns in die Arme gefallen sind – das ist der Moment, der mir heute noch die Tränen treibt", sagt der Leondinger, der später Jus studierte und Verwaltungsjurist bei der Eisenbahn werde.

Nach dem Angriff war die Infrastruktur in Linz lahmgelegt. Selbst die Wasserversorgung fiel weitgehend aus.

22 größere Luftangriffe verzeichnete Linz im Zweiten Weltkrieg – den ersten am 25. Juli 1944, den letzten am 25. April. Insgesamt kamen bei den Luftangriffen zumindest 1600 Linzer ums Leben, sagt Walter Schuster, der Leiter des Linzer Stadtarchivs.

Langthalers ausführliche Erzählung lesen Sie nebst den Kriegsende-Geschichten anderer Zeitzeugen hier.

 

Das geschah noch am 25. April 1945

Deutschland: Westfront trifft Ostfront: An der Elbe bei Lorenzkirchen (Sachsen) begegnen sich die gegen das NS-Regime kämpfenden US- und Sowjettruppen erstmals („Elbe Day“). In der Schlacht um Berlin schließen die Sowjets unterdessen den Ring um die deutsche Hauptstadt. Berlin ist eingekesselt.

Salo: Benito Mussolini flieht mit seiner Geliebten Clara Petacci vor den Alliierten aus Salò am Gardasee, von wo aus er den faschistischen Reststaat in Norditalien („Republik von Salò“) regiert hatte. Zwei Tage später wird er nahe dem Comer See von kommunistischen Partisanen festgenommen und am 28. April hingerichtet.

Wien: Der Schauspieler Raoul Aslan wird vom Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka zum Direktor des Burgtheaters ernannt. Aslans Hauptaufgabe ist es zunächst, einen Ersatz für das zerstörte Haus am Ring zu finden.