Winterdienst: Wie Gemeinden Klagen nach Unfällen vermeiden

Von Robert Stammler   04.Dezember 2015

Eine Autolenkerin fährt in der kalten Jahreszeit kurz nach acht Uhr Vormittag auf einem Güterweg, als es zu schneien beginnt. Sie verliert die Kontrolle über ihren Wagen und prallt gegen den Gartenzaun eines Anrainers. Das Unfallopfer klagt in der Folge die Gemeinde als "Wegehalter", der für das Streuen und Schneeräumen auf dem Güterweg verantwortlich ist. Ihrer Ansicht nach sei die Fahrbahn "schlecht gestreut" gewesen. So geschehen in der Gemeinde Eggerding im Innviertel.

"Wir konnten der Wegehalterhaftung entkommen, weil wir vor Gericht beweisen konnten, dass unsere Streu- und Einsatzpläne korrekt geführt und dokumentiert waren und sich unser Bauhof-Mitarbeiter auch genau an diese Pläne gehalten hat", sagt der Eggerdinger Bürgermeister Johann Hingsamer. Der Mitarbeiter habe um acht Uhr mit dem Streu- und Räumungsdienst begonnen und sei plangemäß zuerst das höherrangige Straßennetz und danach die Güterwege abgefahren.

Der betroffene Güterweg sei laut Plan erst knapp drei Stunden später an der Reihe gewesen, sagt der Bürgermeister. Die Dokumentation einer ordentlichen Organisation und Planung des Winterdienstes reichte vor Gericht aus, um die Forderungen in Höhe von rund 8000 Euro abzuwenden. Gerade für eine kleine Gemeinde ein relevanter Geldbetrag.

"Die Haftung des Wegehalters gemäß Paragraf 1319a des ABGB greift nur bei grober Fahrlässigkeit", sagt Hans Gargitter, Jurist beim oberösterreichischen Gemeindebund. "Dass im Winter überall auf allen Straßen gleichzeitig gestreut und geräumt wird, ist den Gemeinden nicht möglich und auch nicht zumutbar. Wenn wir belegen können, dass wir den Winterdienst seriös organisieren und dabei auch auf die jeweilige Verkehrsfrequenz und geografische Begebenheiten, wie Steilstücke oder spezielle Kurven, Bedacht nehmen, befreien wir uns von der Haftung", sagt Gargitter.

Dass nach Verkehrsunfällen immer öfter der für die Straße verantwortliche Wegehalter in die Pflicht genommen werde, sei "Teil einer Vollkaskomentalität", sagt Rechtsanwalt Franz Mittendorfer. Immer mehr Menschen seien rechtsschutzversichert und würden nach Unfällen die Gemeinde klagen, nach dem Motto: "Schauen wir, was rauskommt." Aber auch aus der Vertragshaftung können Gemeinden rasch schadenersatzpflichtig werden. Etwa wenn Veranstaltern gegen (auch nur geringes) Entgelt Grundflächen für Freiluftevents zur Verfügung gestellt werden und es dann zu Unfällen kommt.

 

Präzedenzfälle: wofür die öffentliche Hand im Einzelfall geradestehen musste

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Haftungsrisiko Schwimmbäder

Unfall im Kindergarten

Im Kindergarten einer niederösterreichischen Gemeinde verletzte sich ein Mädchen (6) beim Spielen mit einem Gummiseilband und zog sich eine Augenverletzung zu, die zum Verlust der Sehkraft führte.

Zwar berge jedes Spielzeug eine Gefahr in sich. Doch hier hätte sich beim Spiel mit dem Gummiband eine latente Gefährlichkeit realisiert. Das Spielzeug habe die Gemeinde zur Verfügung gestellt. Auch in diesem Fall wurde eine Verletzung der „Verkehrssicherheitspflicht“ angenommen. Die Gemeinde musste zahlen.

 

Präzedenzfälle: wofür die öffentliche hand im einzelfall geradestehen musste
Auf rutschigem Boden gestürzt

Kind trank Putzmittel

In einem Tiroler Freibad verirrte sich ein zweijähriges Kind in den Buffetraum des Cafés, das die Kommune verpachtet hatte.

Dort trank das Kind aus einem „Coca Cola“-Glas, das mit Spülmittel befüllt war, und erlitt schwere Verätzungen. Der Betreiber müsse mit dem unbefugten Eindringen von Kindern in die Küche rechnen und hätte das Spülmittel sicherer aufbewahren müssen, so der Oberste Gerichtshof. Weil das Lokal „schwarz“ gepachtet war, haftete die Gemeinde mit, weil sie sich unverlässlicher Personen bediente.

 

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Beim Spielen verletzt

Im Amt ausgerutscht

Die Klägerin betrat ein Polizeikommissariat in Wien, um einen neuen Wohnsitz anzumelden. Sie trug Stöckelschuhe, rutschte am Gang auf dem Steinboden aus und zog sich Knochenbrüche zu.

Der Grund für den Sturz war das Wischwasser, das die Putzfrau beim Reinigen verspritzt hatte. Die Klägerin verlangte von der Finanzprokuratur des Bundes rund 300.000 Schilling (22.000 Euro) Schmerzensgeld und bekam Recht. Die Sturzstelle sei uneinsehbar gewesen und hätte mit Hinweisschildern gesichert werden müssen.