Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Selbstbestimmt statt entmündigt

Von Robert Stammler, 06. Juli 2018, 00:04 Uhr
Selbstbestimmt statt entmündigt
Auch Familienangehörige dürfen die Vertretung übernehmen. Bild: colourbox.de

Erwachsenenschutzgesetz: Seit 1. Juli gilt die "Sachwalterschaft neu", mangels Rechtsprechung sind für die Praktiker aber noch Fragen offen.

LINZ. Einen "Paradigmenwechsel" soll die Umstellung auf das neue System der Sachwalterschaft bringen. Betroffene sollen nicht mehr in Bausch und Bogen "entmündigt" werden, sondern ihre Geschäftsfähigkeit, soweit möglich, behalten. Welche Hilfe braucht ein Mensch, der etwa dement oder psychisch krank geworden ist, im alltäglichen Rechtsverkehr? Inwieweit ist er noch entscheidungs- und handlungsfähig?

Peter K. (Name geändert) leidet an einer psychischen Erkrankung und neigt dazu, sein Einkommen, rund 1000 Euro pro Monat, rasch zu verprassen. Der Linzer Rechtsanwalt Wolfgang Stütz hat kürzlich vom Gericht den Auftrag erhalten, als gerichtlicher Erwachsenenschutz-Vertreter eine Schuldenregulierung durchzuführen. Früher wurden Anwälte in solchen Fällen meist für einen Kreis von Angelegenheiten als Sachwalter bestellt. Nun hat Stütz ausschließlich die Aufgabe, die Schulden des Mandanten in den Griff zu kriegen.

"Am dritten Tag pleite"

"Bei rund 600 Euro Fixkosten, die der Mandant hat, zahle ich ihm 90 Euro pro Woche auf ein Sonderkonto ein, denn sein Girokonto darf nicht ins Minus gehen", sagt der Anwalt. Würde er dem Mandanten das Geld auf einmal ausbezahlen, "wäre der Mann am dritten Tag pleite." Eine Frist für die Schuldenregulierung schreibt das neue Gesetz nicht vor. Die Vorschriften sagen nur, dass die Erwachsenenschutz-Vertretung endet, sobald die Schuldenregulierung erledigt ist. Allgemein hat das Gericht nach drei Jahren eine Überprüfung durchzuführen.

"Es gibt natürlich noch keine Rechtsprechung. Einige Detailfragen sind offen, wir werden sehen, wohin die Reise geht", sagt Anwalt Stütz, der in rund 140 Fällen die Vertretung übernommen hat. Jeder Anwalt muss bis zu fünf Vertretungen übernehmen, ohne diese ablehnen zu dürfen. Als eingetragener Spezialist darf Stütz dieses Limit aber überschreiten. Als Aufwandsentschädigung stehen ihm fünf Prozent des laufenden Einkommens des Mandanten und jährlich zwei Prozent des Vermögens zu, das über 15.000 Euro hinausgeht. Bei null Vermögen und so gut wie keinem Einkommen hält sich das anwaltliche Geschäft mit Erwachsenenschutz-Vertretungen aber oft in engen Grenzen.

Und gerade Fälle, die kaum Entschädigung bringen, sind oft die mühsamsten. "Zehn Prozent der Leute halten dich extrem auf. Es geht zum Beispiel um Suchtkranke, die renitent sind, in die Kanzlei kommen und sich lauthals beschweren. Wir müssen leider immer wieder die Polizei holen."

Soziale Kompetenz gefragt

Praktiker brauchen auch soziale Kompetenzen. Das regelmäßige Gespräch mit Sozialarbeitern, Angehörigen, Heimleitern und Richtern gehört zum täglichen Brot. Das neue Gesetz bezweckt, die gerichtliche Vertretung, also die klassische Sachwalterschaft durch Anwälte hintanzuhalten und durch Wahlvertreter bzw. Familienangehörige zu ersetzen. Für Alt-Fälle haben die Gerichte bis zu sieben Jahre Zeit, diese neu zu überprüfen. So lange bleiben die Anwälte die Vertreter. Bedeutet das Gesetz mehr oder weniger Aufwand? "Wir wissen es nicht. Es ist ein Learning by doing", so der Anwalt.

Selbstbestimmt statt entmündigt
Wolfgang Stütz, Anwalt in Linz

Wolfgang Stütz, Anwalt in Linz

Neues Vier-Säulen-Modell

Laut neuem Gesetz gibt es vier verschiedene Varianten der Erwachsenenschutz-Vertretung.

Vorsorgevollmacht: Jeder kann für den „Fall der Fälle“ bestimmen, welcher Vertreter welche Aufgaben wahrnehmen soll. Die Vollmacht muss nach einer Belehrung höchstpersönlich vor einem Notar, Anwalt oder Erwachsenenschutzverein errichtet und ins Zentrale Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen werden.

Gewählte Vertretung: Ohne Vorsorgevollmacht kann jedermann „im Fall der Fälle“ eine Person des Vertrauens wählen. Dies können Angehörige, Freunde und auch Nachbarn sein. Eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit genügt. Die schriftliche Erklärung muss vor einem Anwalt, Notar oder Verein errichtet und ins ÖZVV eingetragen werden. Sie gilt unbefristet, wird aber jährlich vom Gericht kontrolliert.

Gesetzliche Vertretung: Sie erfolgt durch Familienangehörige, auch Nichten und Neffen fallen darunter. Sie ist auf drei Jahre befristet und wird gerichtlich kontrolliert. Der Betroffene hat ein Widerspruchsrecht.

Gerichtliche Vertretung: Sie ähnelt der klassischen Sachwalterschaft, das Gericht legt aber die Aufgaben klar fest: etwa nur die Schuldenregulierung oder nur die Verwaltung von Liegenschaften. Die Vertretung ist auf drei Jahre befristet.

Interessieren Sie sich für dieses Thema?

Mit einem Klick auf das “Merken”-Symbol fügen Sie ein Thema zu Ihrer Merkliste hinzu. Klicken Sie auf den Begriff, um alle Artikel zu einem Thema zu sehen.

Interessieren Sie sich für diesen Ort?

Fügen Sie Orte zu Ihrer Merkliste hinzu und bleiben Sie auf dem Laufenden.

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Killerkaninchen (7.975 Kommentare)
am 06.07.2018 10:20

"Und gerade Fälle, die kaum Entschädigung bringen, sind oft die mühsamsten. "Zehn Prozent der Leute halten dich extrem auf. Es geht zum Beispiel um Suchtkranke, die renitent sind, in die Kanzlei kommen und sich lauthals beschweren. Wir müssen leider immer wieder die Polizei holen."

Genau das ist nämlich das Problem : die Herren Anwälte bekommen keine Kohle dafür! Das ist dann natürlich mühsam, sich mit Dingen zu beschäftigen, statt bei anderen Klienten 300 Euro pro Stunde zu kassieren.

lädt ...
melden
antworten
Aktuelle Meldungen