Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen bleibt umstritten
WIEN/LINZ. Nationalrat beschloss Neuregelung; Konsumentenschützer, Opposition und Anwälte haben europarechtliche Bedenken.
Die Neuregelung von Rücktritten bei Lebensversicherungen bei mangelhafter Risikoaufklärung wurde am Mittwoch im Nationalrat beschlossen. Diese Gesetzesänderung bleibt trotzdem umstritten.
Das Gesetz sieht im Falle einer mangelhaften Belehrung jetzt vor: Bei einem Rücktritt im ersten Jahr soll die gesamte Prämie einschließlich der Abschlusskosten, aber ohne Zinsen rückerstattet werden. Ab dem zweiten Jahr bis Ende des fünften wird der Rückkaufswert ohne Abschlusskosten und ohne Stornogebühren rückerstattet. Ab dem sechsten Jahr gibt es nur noch den Rückkaufswert ohne Stornogebühr.
Das bisher geltende "ewige" Rücktrittsrecht bei falscher oder fehlender Belehrung sah bisher vor, dass Versicherungsnehmer ihr gesamtes eingezahltes Kapital plus vier Prozent Zinsen pro Jahr zurückbekommen. Das hat die Versicherungswirtschaft seit Jahren bekämpft. Jetzt hat der Gesetzgeber diesem Wunsch entsprochen.
Rechtslage nicht eindeutig
Die Rechtslage wird auch von Gerichten unterschiedlich interpretiert. Versicherungsnehmer, die den Rücktritt bei Gericht eingeklagt haben, bekamen nicht immer Recht. Jene Gerichte, die die Verbraucher abwiesen, waren sich wiederum ihrer Entscheidung selbst nicht immer sicher. So hat etwa das Oberlandesgericht Graz eine ordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) zugelassen, weil noch nicht alles höchstgerichtlich geklärt sei.
Eine Frage, die der OGH klären müsste, sei die Verjährung von Zinsen, sagt der Linzer Anwalt Michael Poduschka im Gespräch mit den OÖNachrichten. Derzeit liege die Spanne bei den Urteilen zwischen drei und 30 Jahren.
Durch diese Novelle, so Poduschka, erspare sich die Versicherungswirtschaft, für Fehler der Vergangenheit geradestehen zu müssen. "Es geht um Milliardenbeträge, um die einfache Bürger durch das neue Gesetz gebracht werden."
Weil das Gesetz schon am 1. Jänner 2019 in Kraft trete, müssten Versicherungskunden, die sich von Fehlberatung betroffen fühlen, noch bis Jahresende tätig werden. Ob das der Fall sei, müsse im Einzelfall entschieden werden. "Es geht in erster Linie um Verträge, die vor 2012 abgeschlossen wurden", sagt Poduschka. Danach wurde weitgehend ordentlich aufgeklärt. Es habe überhaupt Versicherungsunternehmen gegeben, die schon immer richtig beraten hätten. Er verweist außerdem darauf, dass die meisten Rechtsschutzversicherungen derartige Verfahren decken würden. So gesehen hätten die Konsumenten kein Risiko. Er selbst vertrete mehr als 100 Betroffene. Nicht nur die Opposition hat europarechtliche Bedenken. Auch Anwalt Poduschka sieht die Rechte der Konsumenten beschnitten.
Anders argumentiert der Versicherungsverband (VVO). In den ersten fünf Jahren bekämen österreichische Versicherungskunden mehr als deutsche, insbesondere für das erste Jahr würden Rechtsfolgen des Rücktritts deutlich besser geregelt als europarechtlich notwendig, heißt es beim VVO.
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