Stanislaw Tschertschessow: Ein Tiroler aus Ossetien

Von Christoph Zöpfl   13.Juni 2018

Nach bescheidenen Leistungen in den Testspielen glaubt kaum jemand daran, dass Tschertschessows Auswahl das Zeug dazu hat, dem einen oder anderen Favoriten ein Bein zu stellen. Der ehemalige Weltklasse-Tormann selbst hält, konfrontiert mit der Kritik, den Ball flach. "Wenn dich niemand kritisiert, dann bedeutet das, dass es kein Schwein interessiert, was du machst", sagt der 54-Jährige aus Ossetien, der sein privates Basislager seit mehr als 20 Jahren in Tirol aufgeschlagen hat.

Der spätere ÖFB-Teamchef Didi Constantini holte 1996 Tschertschessow vom deutschen Bundesligisten Dynamo Dresden zum FC Tirol Innsbruck. Überreden musste er den russischen Teamtormann nicht lange. "Als ich im Jänner in Innsbruck landete, war das ein wunderschöner Wintertag mit viel Sonne und Schnee – wie daheim in Ossetien, nur mit einer völlig anderen Infrastruktur. Ich wusste, da bleibe ich", sagt Tschertschessow. Mit seiner Frau Alla ist er in Rinn bei Innsbruck hängen geblieben, seine Tochter Madina (24) – eine Architektur-Studentin – und Sohn Stani (21) – er strebt als Tormann eine Profikarriere an – sprechen neben einigen anderen Fremdsprachen rustikales Tirolerisch.

Nach seiner aktiven Karriere, in der er mit dem FC Tirol unter dem deutschen Teamchef Joachim Löw einen von drei Titeln holte, machte Tschertschessow als Trainer Karriere. Mit Legia Warschau gewann er 2016 Titel und Pokal, dann wurde er vom russischen Verband für den Teamchef-Posten "eingeteilt". Dass er auf diesem Schleudersitz seinen Humor nicht verloren hat, bewies er kürzlich mit seiner Antwort auf die Reporterfrage, wie er Ägyptens Superstar Mohamed Salah im WM-Vorrundenspiel stoppen wolle. "Mit der Kalaschnikow", sagte Tschertschessow und lachte dabei, dass der kultige Schnauzbart wackelte.