Horst Seehofer: Drehhofer oder doch Gehhofer?

Von Eike-Clemens Kullmann   07.Juli 2018

Das zeigt der jüngste ARD-"Deutschlandtrend" deutlich. In der Liste der beliebten Politiker verliert der Bundesinnenminister 16 Punkte und erreicht 27 Prozent Zustimmung – der niedrigste je für ihn gemessene Wert.

Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 hatte es zwischen Merkel und Seehofer häufig gekracht. Das ging so weit, dass er als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident der Kanzlerin gar eine "Herrschaft des Unrechts" vorwarf. Vergangenes Wochenende gipfelte der Streit in der Androhung seines Rücktrittes als Innenminister. Stunden später aber trat der spöttisch als "Drehhofer" Bezeichnete nicht zurück, sondern sah sich im Amt bestätigt.

Es gehört seit langem zu Seehofers Polit-Repertoire: so lange drohen, bis er vermeintlich einen Erfolg erzielt. Seine Partei musste dabei mitziehen – und auch plötzliche Kehrtwenden mitmachen. So war es denn auch nicht überraschend, dass Seehofer Donnerstagnachmittag in Wien zum Thema "Zurückweisen von Flüchtlingen" etwas anderes sagte, als am Abend bei der vorläufigen Einigung der GroKo in Berlin. Und gestern folgte schon die nächste Kehrtwende – mit neuer Drohung.

Wie lange es dauern wird, bis aus ihm der "Gehhofer" wird, getraut sich im Politgeschäft niemand zu prognostizieren. Denn "politisch tot" – wie er selbst einmal sagte – war Seehofer schon mehrfach. Etwa als er 2004 als Fraktionsvize der Union im Bundestag zurücktrat. 2005 wurde er Bundesagrarminister, 2008 CSU-Chef und Ministerpräsident. Für seine Kämpfe zahlte er einen hohen Preis: "Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann", sagte er einmal. 2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Der 69-Jährige ist seit 1985 zum zweiten Mal verheiratet und hat mit Karin Seehofer drei erwachsene Kinder. Dazu kommt eine außereheliche Tochter.