Innsbruck, Salzburg: Wie die Grünen zurück in die Zukunft wollen

Von Christoph Kotanko   25.Mai 2018

Wolf Lotter, Autor des frechen deutschen Wirtschaftsmagazins "brand eins", fordert in seiner "Streitschrift für barrierefreies Denken" einen Kulturwandel: weg von den Routinen der Erneuerung, hin zu Experiment und Infragestellung. "Innovatoren sind Unternehmer", schreibt Lotter. "Ihre Arbeit braucht Begeisterung, Ausdauer, Nüchternheit, Pragmatismus – von allem reichlich."

Auch die Grünen könnten eine Innovation vertragen. Sie waren bedeutsam als linke Alternative zur SPÖ, "basisdemokratisch, gewaltfrei, ökologisch, feministisch, selbstbestimmt" . 31 Jahre waren sie als Opposition im Nationalrat, scheiterten 2017 an Eigenfehlern. Derzeit sind sie in fünf Landesregierungen (Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Wien, Oberösterreich).

In Innsbruck wurde Georg Willi gestern als erster grüner Bürgermeister einer Landeshauptstadt angelobt. Er ist deklariert bürgerlich, verhehlt seine Verachtung für zeitgeistige Themen nicht. Legendär sein Spruch aus dem Wahlkampf: "Die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute mehr als das Binnen-I oder die Ehe für alle."

"Die Antithese zu Glawischnig"

In Salzburg wird eine Landesregierung aus ÖVP, Grünen und Neos gebildet. Landeshauptmann Wilfried Haslauer widerstand dem Wunsch von Kanzler Sebastian Kurz, wie im Bund Schwarz-Blau zu machen; er bildet eine Allianz der "bürgerlichen Mitte".

Video: In Salzburg sind die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, Grünen und den Neos in der Zielgeraden - die Verhandler treffen heute noch einmal zu einer Runde zusammen.

Bedeuten Innsbruck und Salzburg die Wiederauferstehung? Der Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch ist vorsichtig: "Willi ist eine Marke wie Van der Bellen oder Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Dem klassischen grünen Spektrum entspricht er nur bedingt. In Salzburg wird es darauf ankommen, ob die Grünen mit den Neos einen Modus Vivendi finden. Beide müssen sich profilieren, zugleich miteinander kooperieren."

Zur Selbstmotivation sind beide Ereignisse tauglich, sie sind allerdings lokal bzw. regional.

Der Bundespartei fehlt eine Person mit Perspektive. Der interimistische Bundessprecher Werner Kogler (56) ist Urgestein der Partei, er war seit 1994 Klubangestellter und zuletzt "die Antithese zu Eva Glawischnig" (Heinisch). Kogler macht seine Sache gut, er gibt der Partei ein Gesicht und Stabilität, ist aber eine Übergangsfigur.

Bis zum Parteitag im November sollte klar sein, wer von den Jüngeren (Stefan Kaineder, Oberösterreich, Peter Kraus, Wien, Lara Köck, Steiermark) für die erste Reihe aufgebaut wird.

Die Partei muss sich auch inhaltlich finden. Kecker sein als die SPÖ, gefühliger als die Neos – das reicht nicht, um die schwankende Basis zu binden. Die Grünen sollten "gleichzeitig radikal und real" sein, meint Kogler. Klingt gut, ist aber vorerst nur eine Leerformel.