Was hat Herbert B. falsch gemacht?

Von Christoph Etzlstorfer   11.Jänner 2013

Herbert B. parkt sein Auto, ein gehobener Mittelklassewagen, vor dem Lebensmittelgeschäft ganz am Rand der markierten Parkfläche. Er geht nicht oft einkaufen.

Seit er vor drei Jahren Personalchef einer großen Firma geworden ist, erledigt das meist seine Frau. Die ist aber derzeit auf einem Fortbildungsseminar, daher liegt es an Herbert B., die Kinder zu versorgen.

Er zieht den Autoschlüssel ab und will die Tür öffnen, als ein weiteres Auto direkt neben ihm stehen bleibt. Das ist die Zufahrt zu weiteren Parkplätzen, daher parkt dieses Auto fast auf Tuchfühlung zu seinem. Ein junger Mann springt heraus und eilt zum Eingang des Geschäfts, Herbert B. muss reversieren, um noch aus dem Auto aussteigen zu können.

An der Wursttheke holt er den jungen Mann ein, begrüßt ihn und fragt ihn, ob er es so eilig habe, dass er nicht mehr richtig parken konnte. Der starrt ihn verständnislos an.

„Was willst du?“ Ein wenig irritiert, schließlich hat er höflich und per Sie gefragt, klärt Herbert B. die Sachlage auf. Die Reaktion ist wenig erbaulich. „Wenn du nicht Autofahren kannst, dann lass es.“

Noch immer beherrscht und ruhig will Herbert B. wissen, ob er und der junge Mann sich kennen, weil der beim Du bleibt. Die Antwort macht es nicht leichter. „Ich bin per du mit wem ich will. Bist du so verbittert oder was ist los?“

Mit dieser Antwort packt der junge Mann seinen Einkauf und macht sich auf den Weg Richtung Kassa. Und er lässt einen ratlosen Herbert B. zurück. Was hat er falsch gemacht? Er war höflich und ruhig, hat keine Anschuldigungen oder Zurechtweisungen gemacht, wollte einfach nur auf das ungebührliche Verhalten am Parkplatz hinweisen.

Haben Menschen tatsächlich so wenig Respekt voreinander? Oder liegt es daran, dass Herbert B. mit dem Rollstuhl unterwegs ist? Liegt es daran, dass der eine sitzt, während der andere steht? Spricht der Stehende „von oben herab“?

Oder würde sich das ändern, wenn Herbert B. an seinem Arbeitsplatz hinter dem Schreibtisch sitzt und der junge Mann auf Jobsuche wäre?

Dr. Christoph Etzlstorfer ist erfolgreicher Behindertensportler, ehemaliger Sportler des Jahres und schreibt regelmäßig für die OÖN.