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Die Erschaffung von Wels

Von Stefan Kutzenberger, 28. März 2019, 00:04 Uhr

Es geht zu Ende, es beginnt. Nur einen Weg kann es dafür geben, nämlich den, den es schon immer gab: Der wahre Schriftsteller setzt sich hin und schreibt.

Er muss die Kraft aufbringen, allein zu sein, stark genug, um nach innen zu blicken. Er hält die Augen geschlossen. Was sieht er? Er sieht sich selbst, natürlich, was sonst sollte in ihm sein? Dann aber beginnt er, vage die Silhouette eines mittelalterlichen Turms zu erahnen, hinter dem sich ein gewaltiges Hochhaus in den grauen Himmel hebt. Sein Wunsch war immer gewesen, in diesem Hochhaus Aufnahme zu finden, von dort nach unten blicken zu dürfen. Der Wunsch ging nicht in Erfüllung. Dafür weiß er nun, es ist Wels, das sich in ihm manifestiert, das Teil seiner selbst geworden ist. Langsam erkennt der Schriftsteller, dass er allein ist, wie immer in der menschenleeren Stadt. Er ist so allein, dass es keine Spuren gibt, denen er folgen könnte. Mutig macht er den ersten Schritt, dann den zweiten. Der Turm hat ein Tor, durch das man gehen kann, sieht er, genau das tut er. Er hat nun so viele Schritte gemacht, dass er bereits ein Stück des Weges gegangen ist, er weiß es, er weiß, dass er einen Teil des Weges gegangen ist, vor ihm muss nun der Rest des Weges liegen, es liegt an ihm, ihn zu gehen. Beharrlich und heiter schreitet er die Straße entlang, über einen kleinen Bach, weiter bis zum Ufer des Flusses, der grün und wellenlos die Hügel der anderen Seite von der Ebene trennt.

Noch existiert das alles nicht. Auch wenn die Stadt das größte Spital des Umlands hat, mehr Ärzte, Magistratsbedienstete und Kaufleute als in allen anderen Ortschaften der Umgebung, noch existiert Wels nicht. Die zweitgrößte Stadt des Landes wird kein echtes Leben haben, bis unsere Literaten und Literatinnen endlich beschließen, uns zu verraten, wie und was Wels ist, wie und was die Menschen sind, die hier wohnen.

Es ist notwendig, dass die wahren Schriftstellerinnen und Schriftsteller um sich blicken und berichten, was sie sehen, was sie erleben, was sie ersinnen. Sie müssen die gewaltige Aufgabe auf sich nehmen, uns zu beschreiben, wie die Seele der Stadt ist. Wie sonst sollten wir das wissen? Wenn sie das hartnäckig und fröhlich machen, dann wird Wels zaghaft entstehen, und seine Einwohner werden in wunderbarer Weise beginnen, sich den Beschreibungen der Schriftsteller und Schriftstellerinnen anzunähern. Weil wenn wir ehrlich sind, und wir wollen immer ehrlich sein, sind es nie die Romane, die die Städte beschreiben. Es sind die Städte, die beginnen, sich den großen Romanen anzugleichen, und nichts anderes als einen großen Roman verdient Wels, nichts anderes als einen großen Roman wollen die wahren Schriftstellerinnen und Schriftsteller schreiben. Der Roman über Wels gibt nur vor, die Stadt zu beschreiben. In Wirklichkeit erfindet er sie.

Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut! Der Stadtschreiber von Wels zieht sich am 29. März von seiner Tätigkeit zurück.

 

Mehr vom Stadtschreiber lesen Sie auf: wels.home.blog

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Autor
Stefan Kutzenberger
Stefan Kutzenberger
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