Der neue Stadtschreiber und seine bisherigen Erlebnisse mit der Stadt

Von Stefan Kutzenberger   06.Dezember 2018

Das erste Mal war 1991, als wir mit der Schülerband ein Demoband aufnehmen wollten und unser Schlagzeuger dafür das Ringstraßenstudio auswählte, das 3000 Schilling für eine Stunde Studiozeit inklusive 50 Kassetten mit der Aufnahme verlangte. Ein Exemplar davon besitze ich noch.

Das zweite Mal bin ich mit meinen Eltern ins Stadttheater gefahren, um ein Konzert mit dem, wie sie mir versicherten, großen russischen Pianisten Swjatoslaw Richter anzuhören, das mich in seiner Intensität sehr beeindruckt hatte. Die Veranstaltung hat am 14. November 1991 stattgefunden: Es scheint also, dass 1991 das Jahr mit meinen bisher meisten Wels-Besuchen war.

Was seitdem folgte, war das Festival der Regionen 2003, in dem eine Kamelkarawane durch Oberösterreich zog und auch in Wels Halt machte. Meine Frau filmte das für die Festivalleitung, doch wussten wir nicht genau, wo die Tiere waren, sodass wir verzweifelt durch Wels fuhren und wahllos Passanten fragten, ob sie Kamele gesehen hätten. Im selben Jahr wurde unsere erste Tochter geboren, und ich weiß nicht, ob das mit ein Grund ist, dass ich 15 Jahre warten musste, um endlich wieder nach Wels zu kommen.

Am 7. Juni 2018 war ich für eine Lesung aus meinem Roman „Friedinger“ in der Buchhandlung Haas eingeladen. Eine Freundin holte mich am Bahnhof ab und brachte mich zum Stadtplatz. Als ich aus dem Auto stieg, blickte ich mich um und sagte: Ist das schön, hier möchte ich einmal länger wohnen! Dann gingen wir in die Buchhandlung, und ich las vor vollem Haus. Nach einem netten Abendessen schlief ich bei meiner Cousine in Pichl, die ich dort nur ein einziges Mal zuvor besucht hatte, da wir uns normalerweise im Familienhaus in Linz treffen. Am nächsten Tag wurde ich schließlich von ihrem Mann zum Bahnhof gebracht. Im Auto sagte ich, dass ich mich in Zukunft öfter blicken lassen würde, da ich Wels ganz wunderbar gefunden habe. Er lachte und sagte, das werden wir ja sehen. Ich hielt Wort.

Am 5. November bekam ich einen Anruf von der Kulturabteilung der Stadt, ich sei zum Stadtschreiber gewählt worden. Juhuu!, rief ich vor der Votivkirche in Wien stehend, und die Wienerinnen und Wiener drehten sich missmutig um. Am 30. November 2018 hatte ich eine Lesung in Thalheim. Um 10.10 Uhr kam ich aus Wien am Welser Bahnhof an, ging zu Fuß zum Hotel Greif und bezog mein Jugendherbergszimmer. Nicht einmal vierzehn Stunden später begann mein Amt als Stadtschreiber. Der Rest muss in den Geschichtsbüchern der Zukunft oder der Kolumne nächsten Donnerstag nachgelesen werden.

„Friedinger“ liegt im Welser Buchhandel auf; mehr vom Stadtschreiber auf: https://wels.home.blog