Ein Platz, wo man kein ausgezeichnetes Restaurant vermuten würde

Von Philipp Braun   25.September 2015

Museen und deren angeschlossenen Cafés, Restaurants und Bistros stehen bedauerlicherweise nicht im Verdacht, die kulinarischen Gelüste der Gäste qualitativ ausreichend zu befriedigen. Mikrowellenküche, 08/15-Weckerl und Schinken-Käse-Toast sind eher die Regel, denn die Ausnahme.

Nicht so in Stockholm, wo mit Göran West ein kulinarischer Meister viel Hirnschmalz und handwerkliches Geschick in die Auswahl und Zubereitung der Gerichte investiert.

Freilich zieht das „Spritmuseum“ im Stadtteil Djurgarden schon alleine der Ausstellung wegen mehr kulinarisch Interessierte an. Deswegen aber gleich vorbehaltlos auf Wohlgeschmack zu schließen grenzt an Optimismus, wie die Zeit vor Göran bewies.

Alles hat ein Ende, so auch das Einheitsfutter. Gleichzeitig mit seinem Antritt verschwanden jegliche Fertiggerichte und verpackte Snacks aus den Vitrinen und wurden nie mehr gesehen. Vergossene Tränen gab es deswegen keinesfalls, denn sie machten Platz für die moderne nordische Küche auf hohem Niveau.

Göran, der übrigens gemeinsam mit Philip Rachinger in Paris gekocht hat, ist ruhig und besonnen wenn er über seine Kochphilosophie redet. Kein Polterer, der sich selbst inszeniert. Vielmehr lässt er seine Gerichte sprechen, fügt aber mit Nachdruck hinzu was ihm wichtig ist: „Gute Qualität. Biologische Lebensmittel von den Bauern aus der Region. Viel Handarbeit und nichts verschwenden, sondern alles verarbeiten.“

Nordische Küche

In der Praxis schaut das folgendermaßen aus: Geschmacklich einzigartige Sardinen landen auf dem Teller, die mit einer dezenten Salzigkeit und Rahmcremigkeit den Gaumen derart schön umschmeicheln, dass man sich am liebsten im Museum einquartieren möchte. Die Kochkunst wird ebenso beim Gemüsegericht unter Beweis gestellt. Aromatische und bunte Karotten präsentieren sich bissfest und leicht karamellisiert. Sie erscheinen mit gelben Tomatenscheiben und grünen Spalterbsen und lassen jegliche Lust aufs Fleischliche und Fischige verblassen. Dennoch sollte man den frisch gefangenen Tintenfisch nicht verschmähen. Wieso schaffen es andere Köche nicht, den Vertreter der Kopffüßer derart zart zuzubereiten und ihn mit einer Tintenwürze und Gurkenfrische zu offerieren, dass man am liebsten gleich den ganzen Tentakelarm um die Gabel wickeln möchte?

Ist in dem Moment egal, denn die Aufmerksamkeit gilt dem Hier und Jetzt. Bleibt nur noch die Nachspeise. Butter wird selbst hergestellt. Da bei der Produktion Molke und Buttermilch übrigbleibt, zaubert Göran mit einer Selbstverständlichkeit daraus eine Nachspeise aus dem Ärmel: Heidelbeersorbet mit Heidelbeercrumble (wurden aus Schwarzbeerresten hergestellt) vereint Frische, Fruchtigkeit und Cremigkeit derart gut, dass man schon jetzt bereut, nicht selbst in den Wald gegangen zu sein, um sich einen persönlichen Vorrat an Beeren anzulegen.

Allzu gerne würde man mit dem Koch noch ein paar Wörter wechseln. Der muss jedoch zurück in die Küche, wo noch eine halbe Rinderhälfte darauf wartet, fachgerecht zerlegt zu werden. Schade, aber die Auswahl an schwedischen Bieren (IPA, Porter, Stout) von Kleinstbrauereien und biodynamischen Weinen tröstet darüber hinweg. Zumal man wieder kommen kann und auch muss. Denn so ein Ort ist zu selten, um ihn links liegen zu lassen.