Wanted: Impfstoff gegen Verschwörungstheorien

Von Martina Mara   02.Februar 2019

Skepsis ist eine gute Sache. Ein gesunder Zweifel an vermeintlichen Tatsachen muss gerade in der informationsüberladenen Digitalwelt zu den menschlichen Grundkompetenzen zählen. Man darf und soll ruhig skeptisch sein. Das gilt natürlich auch für Wissenschaft und Medizin und in deren Kontext auch dem – gerade heftig diskutierten – Impfen gegenüber.

Fundiert infrage stellen kann man hier etwa, ob die derzeit üblichen Kombinationen verabreichter Impfstoffe wirklich die besten sind oder ob es teilweise nicht schonendere Impfmethoden gäbe. Sogenannte Impfskeptiker beschäftigen sich mit solchen Details aber erst gar nicht. Sie zweifeln die Wirksamkeit von Impfungen entgegen Jahrzehnte umfassenden Erfahrungswerte ganz grundsätzlich an oder berufen sich etwa auf einen angeblichen Zusammenhang zwischen Masernimpfungen und Autismus bei Kindern. Letzteres beruht auf einer – manipulierten! – Studie des britischen Ex-Arztes Andrew Wakefield, der deshalb seine Zulassung verlor, sich als Berater Donald Trumps nun aber eine goldene Nase verdienen dürfte. Warum geht der Unsinn so rein? Wie kann es sein, dass sich trotz WHO-Warnung und einer rational nachvollziehbaren Erfolgsgeschichte des Impfens immer mehr Eltern vom Pseudoskeptizismus der Impfgegner anstecken lassen? Die Ratio spielt dabei wohl eine untergeordnete Rolle. Viele der einschlägigen Websites setzen auf hochemotionale (und kaum überprüfbare) Einzelfallschilderungen von Kindern mit Impfschäden oder klassische Schwarz-Weiß-Verschwörungsgeschichten über Politik und Pharmaindustrie. Dass Informationen, die in Form emotionaler Geschichten daherkommen, Einstellungen stärker beeinflussen als Zahlen und Fakten, haben psychologische Studien immer wieder gezeigt. Ein weiterer Faktor mag damit zu tun haben, dass der Unterschied zwischen Ursache-Wirkungs-Beziehungen und zufällig gleichzeitig auftretenden Phänomenen oft nicht bedacht wird.

Schreibt ein Heilpraktiker auf Facebook, dass alle allergiegeplagten Kinder, die er behandelt, gegen Masern geimpft sind, wird das leicht als Beweis für die Schädlichkeit von Impfungen missinterpretiert. Dabei ist dieser Schluss in etwa gleich valide wie die Aussage, dass Butterbrote gewaltfördernd wirken, weil die meisten Kriminellen schon einmal eines gegessen haben.

Mehrere Politiker fordern aufgrund der steigenden Prävalenz von Masernfällen nun eine generelle Impfpflicht. Es wäre schön, wenn die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ohne Muss durch gezielte Aufklärung gesteigert werden könnte. Im Gegensatz zu den Masern gibt es gegen die Ansteckung mit Verschwörungstheorien aber leider noch keinen Impfstoff mit nachweislichem Effekt.

 

Martina Mara ist Professorin für Roboterpsychologie an der JKU. E-Mail: mara@nachrichten.at