Osterschinken-Science-Fiction
In meinem Bekanntenkreis gibt es zwei Arten von Vegetariern.
Die einen verabscheuen Fleisch ganz einfach. Ihnen graust es vor Geruch, Geschmack oder Konsistenz. Die anderen verzichten aus rein moralischen Gründen auf Tier am Teller. An sich würde ihnen Fleisch aber schmecken, weshalb sie beispielsweise gar nicht besonders sauer sind, wenn ihr Veggie-Würstel am Grill mit einem Steak kuschelt. Egal wie – vom Osterschinken, der an diesem Wochenende traditionell zum Frühstück serviert wird, bleibt den Vegetariern immer nur der Kren.
Zumindest für den zweiten Typus, den Moral-statt-Qual-Vegetarier, könnte sich das mittelfristig ändern. Zellkulturfleisch heißt das Zauberwort, das nicht nur Tierschutzorganisationen aufhorchen lässt, sondern als einer der Megatrends des kommenden Jahrzehnts gilt. Dahinter steckt die Idee, von Rindern, Schweinen oder Hühnern entnommene Stammzellen im Labor zu Muskelfasern heranzuzüchten, bis ein ganzes Stück Fleisch daraus gewachsen ist.
Weltweit tüfteln Forscher und Start-ups an Techniken und Rezepturen, um dieses "Clean Meat" ("sauberes Fleisch") bald in Supermärkten anzubieten. Bis Jahresende sollen erste Restaurants in Asien und den USA Hühnernuggets oder Fleischbällchen aus der Petrischale kredenzen. Das große Ziel ist es aber, auch ganz pures Laborfleisch und sogar Do-it-yourself-Kits für Zuhause zu verkaufen. Am Ostersonntag in zehn Jahren kommt dann also vielleicht schon selbstgezüchtetes Weihfleisch auf den Tisch. Aus Stammzellen vom fidelen Bioschweinderl. Wobei: Das mit dem Weihen bedarf unter Umständen noch einer Diskussionsrunde mit dem Erzbischof. Im Gegensatz zu Soja oder sonstigen Ersatzprodukten hat Zellkulturfleisch jedenfalls den Vorteil, tatsächlich wie Fleisch zu schmecken. Klar, es ist ja auch nichts anderes. Daneben würde es viel Tierleid überflüssig machen, wäre in der Herstellung sehr klimafreundlich und könnte sogar helfen, die Lebensmittelverschwendung in den Industrienationen einzudämmen. Erst kürzlich wurde ja bekannt, dass allein in Deutschland pro Jahr unglaubliche 13 Millionen Schweine notgetötet und weggeworfen werden.
Irgendwie blöd ist nur, dass mein Hirn dazu tendiert, das Laborfleisch-Thema automatisch mit der artverwandten Trendschlagzeile "Organe aus dem 3D-Drucker" zu verbandeln. Dort sind menschliche Organe statt Fleischbällchen der Output. Mir erscheint vor dem inneren Auge dann immer ein moralisch tadelloser Hannibal Lecter, der sich ein laborgezüchtetes Leberschnitzerl in die Pfanne schmeißt. Aber damit will ich Sie beim Osterfrühstück nun wirklich nicht weiter behelligen.
Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zur Mensch-Roboter-Beziehung. Twitter: @MartinaMara Haben Sie Fragen an Martina Mara? E-Mail: mara@nachrichten.at
die vegetarischen Sekten aus Asien haben uns schon lange erreicht, schöne Ostern