Der Wert des Journalismus

Von Martina Mara   02.Mai 2017

"Man kann auf beide ganz leicht verzichten. Keine Manieren, keine Gesprächskultur, ihnen unsympathische Interviewpartner werden verhört", tut benny1704 dieser Tage im Internet seine Meinung zu einem Träger und einer Trägerin des Robert-Hochner-Preises für politische Berichterstattung kund.

Gemeint sind ZiB-2-Moderator Armin Wolf und Puls4-Infochefin Corinna Milborn. Ersterer wurde im Jahr 2006, Zweitere 2017 mit dem renommierten Preis ausgezeichnet. Laut benny1704 und vielen prominenteren Kritikern sind die beiden – und mit ihnen das sogenannte journalistische Establishment – allerdings vor allem eines: entbehrlich.

In Zeiten, in denen Journalisten unweit von uns wieder hinter Gittern sitzen, autoritäre Staatsoberhäupter Wikipedia sperren und 100 Tage US-Präsidentschaft 100 Tage selbstgerechte Medienschelte bedeuten, ist es eine Farce, dass wir in Österreich kritischen Journalismus neuerdings am liebsten freiwillig abschaffen würden.

Mir fällt dazu die abstruse Impfgegner-Community im Netz ein, die dem Kausalitätsmissverständnis aufsitzt, dass Kinder bei nichtexistenten Masernfällen links und rechts des Eigenheimes heute nicht mehr geimpft werden bräuchten. Eh klar. Und weil wir in Felix Austria soweit von Diktatur entfernt sind wie die Anti-Spritzen-Mama von der Masern-Epidemie, schätzen wir an professionellen Interviewern "gute Manieren", finden einen hartnäckigen Fragestil aber ungustiös. Das muss man sich auch erst einmal leisten können.

Halt, halt, werden da einige zwischenrufen. Natürlich sind wir auch in Österreich einer Diktatur unterworfen, und zwar einer "Meinungsdiktatur" der Medienelite, wie es Dietrich Mateschitz kürzlich in der Kleinen Zeitung ausdrückte. Mit seinem neuen Medienprojekt "Quo Vadis Veritas" will der Red-Oberbulle dagegensetzen und der Öffentlichkeit bald nichts als die Wahrheit präsentieren. Voreilige Urteile finde ich nicht angebracht und mehr Varianz im Informationsangebot ist grundsätzlich sicher nichts Schlechtes. Allerdings ist Mateschitz’ Versprechen – "Wir liefern die Wahrheit" – halt per se etwas verdächtig.

Guter Journalismus entsteht nämlich im Bewusstsein, die ganze, echte, allumfassende Wahrheit niemals abbilden zu können. Das ist auch gar nicht seine Aufgabe. Guter Journalismus muss dem Publikum durch Faktenprüfung, Differenzierung und Sinnstiftung hingegen zur Selbstbeurteilung einer Sachlage verhelfen. Hierin liegt der Wert des Journalismus für die Demokratie. Und unbequeme Fragen sind ein Teil davon. Wenn das einem beträchtlichen Bevölkerungsteil nicht mehr klar oder wichtig ist, muss zu den neuen Aufgaben des Journalismus auch gehören, seinen eigenen Wert wieder stärker zum Thema zu machen.

 

Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zur Mensch-Roboter-Beziehung.