Alternative Fakten sind konventioneller Blödsinn

Von Martina Mara   24.Jänner 2017

Das ganze Gejammer über steigende Temperaturen und Meeresspiegel, über Extremwetterlagen und künftige Klimaflüchtlinge hat sich als kooperative Verschwörungsfantasie von Wissenschaft und Journaille herausgestellt. Gott und seinen irdischen Korrelaten sei Dank gibt es nun alternative Fakten: Der neue US-Präsident höchstpersönlich hat sein allmächtiges meteorologisches Mittelfingersensorium in die Welt gestreckt. Und ihm war kalt. Und das war gut so. Als einzig logische Konsequenz ließ er noch am Tag seiner Angelobung alle Informationen zum Thema Klimawandel von der Website des Weißen Hauses löschen. "Sorry, no results found for climate change" wirft eine entsprechende Suchanfrage derzeit aus. Da sage ich doch: Supidupi, lasst uns Kohlekraftwerke bauen und 100 Flugmangos essen, globale Erwärmung war gestern.

Leider ist die Angelegenheit aber zu ernst, um lange im Ironie-Modus zu bleiben. Halten wir fest: Der mutmaßlich mächtigste Mann der Welt und sein Presse-Team sprechen nun also ganz offen von "alternativen Fakten", die sie der Öffentlichkeit präsentieren. Bei ihrem schnell widerlegten Versuch, das Publikumsausmaß während der Inauguration vergangenen Freitag in die Höhe zu schwindeln, ließ sich darüber noch leicht witzeln. Haufenweise tauchten Memes eines neuen "US-Ministeriums für alternative Wahrheit" in den sozialen Netzwerken auf. Dass sich Trump und seine Verbündeten aber längst nicht nur in puncto Besucherzahlen eine auf subjektiven Befindlichkeiten beruhende Deutungshoheit der Realität herausnehmen, ist weit weniger witzig. Neben der Eliminierung von Begriffen wie "LGBT" oder "Polizeigewalt" vom Online-Auftritt der US-Regierung gehört dazu eben auch ein neuer "America-First-Energieplan", der auf Trumps Privatthese, globale Erwärmung wäre ein industriefeindlicher Schwindel, aufbaut. Und der sich damit eindeutig gegen den wissenschaftlichen Common Sense stellt.

Bleibt einzugestehen, dass sich ein Diskurs über die Weltlage prinzipiell schlecht mit Extrem-Etiketten wie "Wahrheit" oder "Lüge" bestreiten lässt. Kein ernstzunehmender Wissenschafter würde etwas anderes behaupten. Und doch gibt es Fakten, die durch die Analyse empirischer Daten und die Offenlegung der dafür verwendeten Instrumente eine große intersubjektive Nachvollziehbarkeit erreichen. "Alternative Fakten" haben diese Qualität nicht. Sie sind nichts anderes als konventioneller Blödsinn, ausgedacht von Einzelnen mit Einzelinteressen. Dumm nur, dass im Fall von Trumps Klimawandel-Leugnung die gesamte Erdbevölkerung mit ihm im Boot sitzt.


Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zur Mensch-Roboter-Beziehung.