50 Shades of Cyberblue

Von Martina Mara   13.Juni 2017

"Gar nicht sieht die aus", werden Sie als technikaffine Leserin, als schlauer Leser antworten. Denn: Künstliche Intelligenz ist ein Algorithmus, ein Programm, eine Software. Da gibt’s nix zu beäugen.

Sie liegen völlig richtig. Und trotzdem wird uns das Bildnis der künstlichen Intelligenz immer wieder präsentiert. Ohne grafische Untermalung ist heute ja kaum mehr ein Thema ans Publikum zu bringen, nicht in Druckwerken und erst recht nicht im bildverliebten Internet. Daher muss auch das Unleibliche grafisch verleiblicht werden. Und bei der künstlichen Intelligenz, das fällt mir in wachsendem Maße auf, passiert das mittlerweile ungut konformistisch.

Wenn Sie Ihr inneres Auge also neuerlich konsultieren und es für den Input "KI" vielleicht doch einen Output ausspuckt, dann gestaltet sich dieser wahrscheinlich zirka so: als menschengleicher Roboter, als schimmernder Elektromann mit Leiterplattenzeugs, eventuell auch nur als ledig-schwebendes Hirn. So stellen sich Grafiker oder ihre Auftraggeber künstliche Intelligenz vor. So schauen wir sie uns an. Farblich immer irgendwo zwischen Schlumpf-Eis, Blue Curaçao und FPÖ. Ich nenne es Cyberblue. Besuchen Sie ruhig mal eine der Bilddatenbanken im Internet, mithilfe derer sich alle, die schnell themenspezifische Illustrationen brauchen, versorgen. Gehen Sie auf fotolia.de oder shutterstock.de und tippen Sie "künstliche Intelligenz" in das Suchfeld. Jetzt wissen Sie, was ich meine.

Nun ist an hübschen Illustrationen grundsätzlich nichts auszusetzen, und Blau eignet sich wahrscheinlich wirklich gut für künstliche Intelligenz: angenehm fürs Auge, ein Dauerseller im App- und Webdesign, wahrnehmungspsychologisch mit Himmel und Wasser assoziiert, in den arktischen Nuancen mit Kälte und Technik. Was ich als problematischer empfinde, ist die grafische Annäherung von Mensch und Maschine. Viele der benutzten Bilder vermitteln nämlich 1a die alte Substitutionslogik: der Mensch, der in seiner Gesamtheit, mit all seinen Facetten, durch eine Art Über-Cyborg ersetzt wird.

Mit der technischen Realität, in der viel weniger an generalistischen als an hochspezifischen Anwendungen künstlicher Intelligenz gearbeitet wird, hat der cyberblaue Elektrotyp, der so aussieht, als könnte er bald mal die Wohnung nebenan beziehen, freilich nur wenig zu tun. Dafür ist leider davon auszugehen, dass er Ängste bestärkt, die ohnehin weit verbreitet sind: Ängste vor dem Ersetztwerden, vor dominanter Technologie. Stellt man Maschinen so bildhaft als Surrogat für alles Menschliche zur Schau, darf man sich über das Wachsen dieser Ängste nicht wundern.

 

Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zur Mensch-Roboter-Beziehung.