Lolita-Szene in Oberösterreich

Von Claudia Oberaigner   04.Juni 2012

Als dann ganz unerwartet ein kleines Grüppchen gestylter Mädels meine Aufmerksamkeit erregt. Knapp zehn junge Frauen gehüllt in Rüschen, Petticoats, zartrosa Kleidchen und reinweißen Strümpfen heben sich deutlich vom Streetstyle aller anderen Flanierenden ab. Lolitas! Die von Kopf bis Fuß durchdachte Montur der Damen wirkt fremd und exotisch - vor allem in dieser Umgebung.

Sie tragen ihre hübschen Kleider mit Stolz und zeigen sich gerne. Sie bewegen sich vorsichtig und bedacht. Die Hüte und den Haarschmuck straff am Haar befestigt - die mit Blumen, Plüsch und Perlen überladenen Täschchen baumeln am Unterarm. Ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen die ersten echten Linzer Lolitas (meiner Erfahrung nach) anzusprechen und lerne Stephanie, eine seit Jahren bekennende Anhängerin dieses Stils, kennen.

Grundsätzlich ist die recht auffällige Kleidung kein Trend oder besonders neu. Der modische Ausdruck der Lolitas wird seit vielen Jahren in Japan kultiviert, gepflegt und verfeinert. Ursprünglich wollte man der aufreizenden Garderobe vor mehr als zwei Jahrzehnten etwas entgegensetzen. Die neue Tracht sollte möglichst alle "verführerischen" Körperstellen bedecken. Man sehnte sich nach Etikette, Eleganz und lieblicher Anmut. Die erotische Konnotation der Jetzt-Zeit entsteht beim Betrachter also eigentlich aus einem Widerspruch. Gerade diese Phantasien sollten vermieden werden.

Großes Vorbild der Stilrichtung sind die Kurven und Schnitte des Rokoko, Barock und der viktorianische Epoche. Hinzu kommt in der Neuinterpretation: Kitsch und neue Farbigkeit. Motive von Erdbeeren, Blumen, diffizile Stickereien, große Schleifen, Herz-Formen und Falten prägen die pastellfarbenen Kleider der sogenannten "Sweet Lolitas".

Die vielen Untergruppen - Gothic-, Sailor-, Dandy- oder Punk-Lolitas - unterscheiden sich nochmals deutlich. Die Zuckerlfarbe der "süßen Lolita" wird beim Gothic-Pendant etwa durch viel schwarze Spitze, rotem Samt und fließender Seide ersetzt. Das Make-Up reicht von dezent bis üppig. Die Augen werden allerdings immer stark betont. Hier spiegelt sich der große Einfluss der japanischen Comic-Szene wieder.

Auch Stephanie war schon früh fasziniert von Mangas. Die szenenbestimmenden Conventions und Feste waren stilprägend für die junge Welserin. Die Faszination des Kults wurde immer größer, das Netzwerk zu anderen Begeisterten stärker. Die kleine Gruppe im Raum Oberösterreich trifft sich momentan etwa vier bis sechs Mal pro Jahr zum Picknick, "Schaulaufen" oder anderen Aktivitäten. Neue Community-Mitglieder werden mit offenen Armen begrüßt. Kleidung und Accessoires sind in Österreich leider schwer zu kriegen. Auch hierbei hilft das Netzwerk - es wird getauscht, genäht oder wiederverkauft.

Großteils werden die Keypieces, vom Kleid, Petticoat, Bluse bis zur Haarschleife in Japan bestellt. Ein gesamtes Ensemble der mittleren Preisklasse schätzt die Insiderin auf etwa 800 Euro. Bei den aufwendigen Outfits wird vor allem auf sorgfältige Verarbeitung und qualitative Materialien geachtet. Die beliebtesten Marken sind unter anderem "Baby, the stars shine bright" oder "Angelic Pretty".

Stephanie, mit dem klingenden Alias "Lyze von Kiel", betont im Gespräch, dass die Kleider nicht als Kostüm angesehen werden. Es ist eindeutiger Ausdruck von Mode.

Der Dresscode gibt einige unabdingbare, charakteristische Elemente vor. Auf Haarschmuck, Bänder oder Maschen, darf keinesfalls verzichtet werden. Ebenso Strümpfe sollten die Beine umspielen. Viele der Lolitas leben - wie erwähnt- einen ausgesprochen gepflegten und auf Etikette bedachten Lifestyle. Das findet sich beispielsweise in der Großzügigkeit des Ausschnitts wieder. Sollte das Kleid etwas zu viel der weiblichen Schönheit preisgeben, wird darunter in jedem Fall eine Bluse getragen. Die Einstellung zum Leben oder besondere Werte teilen die Lolitas sonst kaum. Es versteht sich als Mode-Szene nicht als philosophischer Zusammenschluss.

Bis vor kurzem war ein Element des Styles fast unumgänglicher Trend. Ein Schuh, der Mode-Geschichte schrieb. Designt und entwickelt von einer der erfolgreichsten Mode-Ikonen unserer Zeit. Vivienne Westwood entwarf den signifikanten "Rocking Horse" vor mehr als 25 Jahren. Der markante Schuh war über mehrere Saisonen bestimmende Komponente der Kollektionen (erstmals Frühjahr/Sommer 1985 bei der Show "Mini-Crin" im Einsatz). Designt wurde er mit dem Anspruch, das Schwingen und die Bewegung eines Ballerina-Tutus zu reflektieren. Der extravagante Plateau-Schuh mit der eckigen Ausnehmung an der Ferse kann bis heute in unterschiedlichen Ausarbeitungen erstanden werden.

Wer sich für die Szene der Lolitas begeistert sollte sich der Facebook Gruppe "Lolitas-Fashion Österreich" anschließen. In der Galerie sind einige Bilder des jüngsten Treffens und Schnappschüsse von Lyze von Kiel zu sehen.