Ein Körnchen Toleranz

Von Erich Lukas   13.Mai 2017

Die Paella also, die fast so gern in Spanien bestellt wird wie Sangria, weil sie wirklich überall auf der Karte steht, ist eine eher mühsame Angelegenheit. Man kann sie nur ab 2 Personen bestellen, was schon ein Hindernis darstellen kann. Und dann wartet man ewig, aber die Vorfreude ist oft das schönste, bis die riesengroße runde Pfanne mit dem gelben Reis auf den Tisch gehievt wird und man ein wenig misstrauisch begutachtet, was sich auf und unter dem Reis verbirgt und nach unseren Vorstellungen doch so wenig zusammengehört: Huhn und Muscheln, Scampi, Kaninchen und Fisch. Oft ist der Geschmack eher enttäuschend: der Reis halbgar, die Scampi müffeln schon ein bisschen, an den Kaninchenknochen nur wenig Fleisch, die Miesmuscheln generell verdächtig.

Diese "paella mixta“ nennen die Valencianer, aus deren Region die Paella ursprünglich stammt und wo sie nur mit Fleisch zubereitet wird “Touristen-Paella“. Das ist uns egal, hartnäckig bestellen wir immer wieder unsere Paella in der Hoffnung, doch einmal eine gute zu erwischen - denn wenn sie gut ist, ist sie umwerfend gut. Da ist unten am Reis vorschriftsmäßig die Kruste, die nur entsteht, wenn sie geduldig lange auf dem Feuer stehen bleibt, der Reis ist narzissengelb, weil Safran in gefärbt hat und nicht billiger Kurkuma. Und das wunderbare an einer Paella ist, dass man sie nie alleine isst, sondern das man Stundenlang zusammen am Tisch sitzt, am liebsten den ganzen Nachmittag, nur nie Abends, weil sie dafür zu schwer ist. Wenn man große Familien in Spanien am Wochenende beobachtet, die stundenlang zusammensitzen und essen und quatschen und lachen und streiten, bekommt man ein Gefühl dafür, was wir zu verlieren drohen oder schon verloren haben. Natürlich starren in Spanien die jungen auf ihre Smartphones, aber da sie am Tisch sitzen bleiben müssen, schnappen sie doch die Geschichten auf, die in der geselligen Runde erzählt werden. Meine Theorie ist, dass es gefährlich ist, wenn wir immer weniger in großen Runden essen und unsere Geschichten erzählen und hören. Es macht uns auf jeden Fall nicht gerade toleranter und als weitere negative Begleiterscheinung verkümmert unsere Fähigkeit zu erzählen.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass Spanien toleranter mit Fremden um geht oder es liegt wirklich an der Paella. Ich will ja, ich will ja, ich will ja nach Sevilla.