Frauen in Architektur

Von Tobias Hagleitner   12.März 2016

Es ist tatsächlich höchste Zeit, dass Frauen deutlicher in Erscheinung treten. Trotz des hohen und kontinuierlich steigenden Anteils an Architekturstudentinnen sind Frauen, die in der Architektur von sich reden machen, noch immer eine Seltenheit. Die berühmte Zaha Hadid ist eine der wenigen schillernden Ausnahmen in einsamer Höhe, eine Art Alibi-Frau im männerdominierten Starzirkus der Architektur.

Die meisten Frauen, die großartige Architektur machen, sich mit ebenso viel Talent, Engagement und Können wie ihre männlichen Kollegen in einem äußerst fordernden Beruf behaupten,  bleiben unbekannt. Sie werden von den prominenteren Namen ihrer Partner übertönt, bleiben auf halbem Karriereweg in der mittleren Ebene der Büros hängen oder werden – mitunter systematisch – von Wettbewerbsauslobern, Preisrichtern oder Auftraggebern einfach „übersehen“. Architektinnen müssen besser sichtbar werden, nicht nur als Quoten-Berühmtheit im elitären Spitzenfeld der Branche, sondern vor allem im ganz normalen Alltag, auf der Baustelle ums Eck, in den unzähligen Architekturbüros  dieser Welt, auch in Oberösterreich.

Das renommierte britische Fachmagazin „The Architectural Review“ (es erscheint kontinuierlich seit 1896) bemüht sich seit einigen Jahren mit dem „Women in Architecture Award“ darum, auf die Frauen aufmerksam zu machen. Ausgezeichnet werden dabei jeweils die Architektin des Jahres sowie die weltbesten Nachwuchs-Architektinnen. Unter den acht Nominierten des vergangene Woche vergebenen Preises war dieses Jahr Anna Heringer. Hervorgehoben wurde in der Begründung ihre besondere, nachhaltige und soziale Arbeitsweise: Bei den Projekten, die oft in Zusammenarbeit mit NGOs entstehen, greift Anna Heringer auf die vor Ort vorhandenen Ressourcen zurück. Seien es die Materialien, zum Beispiel die Erde direkt vom Baugrund, die zu hochwertigen Lehmbauten verarbeitet wird, seien es die Fähigkeiten und Interessen der Leute vor Ort, die in die Entstehung und Umsetzung der Bauten involviert werden oder lokale, traditionell verankerte Handwerkstechniken.

Ihr eigenes Handwerk hat Anna Heringer, die derzeit als Gastprofessorin an der ETH Zürich lehrt, in Oberösterreich erlernt. Sie studierte Architektur an der Kunstuniversität Linz und schloss 2004 mit dem Entwurf für einen Schulbau in Bangladesch, der METI-Handmade School, mit Auszeichnung ab. Das Gebäude aus Lehm und Bambus wurde ein Jahr später umgesetzt. Es wurde vielfach prämiert und publiziert. In seiner feinen Detaillierung und liebevollen Gestaltung wurde es geradezu stilbildend für eine Reihe ähnlicher Bauprojekte, die seither im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit dort und da entstanden sind. Derzeit errichtet die junge Architektin Hostels aus Lehm, Bambus und Flusssteinen in China (siehe Bild).