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„Wir müssen weg von diesem Kleinklein“

09. Februar 2016, 16:04 Uhr
Franz Welser-Möst, Cleveland Orchestra   Bild: Reinhard Winkler

Franz Welser-Möst, Dirigent, Oberösterreich

3.Es gilt in Österreich Verkrustungen aufzubrechen, die sich über Jahrzehnte gebildet haben. Als ich nach 30 Jahren im Ausland lebend 2010 wieder hier Wohnsitz genommen habe, erhielt ich ein paar Monate danach einen Brief der österreichischen Wirtschaftskammer, in dem mir (als Dirigent bin ich als Selbstständiger geführt) mitgeteilt wurde, dass man sich freut, dass ich „freiwillig die Pflichtmitgliedschaft“ bei der Wirtschaftskammer annehme. Als halbwegs intelligenter Mensch kommt man sich dabei auf den Arm genommen vor.

Aber mit diesem Beispiel wird das Dilemma Österreichs klar. Der Staat sollte die Freiheit des Bürgers bewahren, aber er schränkt sie immer mehr ein, bis an die Grenze der Unmündigkeit und Enteignung. Wohin ich in meinem Bekannten- und Freundeskreis auch höre, seien es Ärzte, Lehrer, Wirtschaftstreibende, Künstler, es ist immer das gleiche Lied: Wir verwalten uns zu Tode.

Logisch, dass dabei kein Spielraum für das Gestalten bleibt! Die Stärkung des Bürgers in seiner Selbstverantwortung und Selbstbestimmung bleibt auf der Strecke. Interessenvertretungen ja, Pflichtmitgliedschaft bei Kammern nein. Jeder von uns kennt auch aus dem Alltag die Konflikte von Behörden. Zum Beispiel Naturschutz gegen Straßenmeisterei. Wir brauchen eine zeitgemäße, sprich den Anforderungen unserer Zeit gemäß, eine neue Ordnung unserer Prioritäten. Man hat oft den Eindruck, dass Behörden zu einem Staat im Staat geworden sind und nicht mehr wissen, dass der Bürger der oberste Souverän in diesem Gefüge ist. Weg mit so vielen Verwaltungsebenen, und wenn das die Auflösung der Landtage bedeutet.

Wir reden nun schon seit Jahren von Krisen. Jede Krise ist eine Chance! Das bedeutet, wir müssen weg von diesem hinterwäldlerischen Kleinklein hin zu den Chancen, die ein kleines Land wie Österreich in den Nischen der Welt findet. Das bedeutet aber auch ein besonderes Augenmerk auf das Potenzial, das es bei den Kreativen dieses Landes zu heben gilt. Der Staat müsste auch in der Bildung und in der Folge auch beim Start ins Berufsleben wieder mehr Freiraum kreieren. Beispiele dafür gibt es zuhauf (z.B. Start-ups). Die Diskussion um Bildung kann sich nicht hauptsächlich darum drehen, wer was wo zu sagen hat. Wo bleiben die Inhalte, das wirklich Wichtige? Was lehren wir die nächste Generation? Auch hier ist mir selbst in meinem Bereich der Verwaltungswust begegnet: in einem so kreativen Bereich wie dem künstlerischen ist anscheinend das Wichtigste die Erwerbung von Scheinen, die aber überhaupt nichts, gar nichts über die tatsächliche Qualität des Einzelnen aussagen. Daher: mehr Freiheit für den Lernenden, aber auch den Lehrenden. Jede erfolgreiche Institution soll, ja muss sich immer wieder einer Neuorientierung unterziehen: Wo wollen wir in fünf, in zehn Jahren sein? Ich möchte in zehn Jahren in einem Land wohnen, in dem sich die Menschen frei von Staatszwängen vielfältiger Art weltoffen, der Welt zugewandt kreativ bewegen. Wo Eigeninitiative nicht als suspekt angesehen, sondern begrüßt wird. Wo vor allem gestaltet und nicht nur verwaltet wird. Wo wir leidenschaftlich über die Gestaltung unseres Landes diskutieren und nicht nur jammern. Wo die Freude an Erreichtem groß ist und nicht der Neid auf andere. Wo Bildung dazu dient, die Kreativität des Einzelnen zu fördern und nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Wo wir uns selbstbewusst einer vielfältigen Kunst- und Kulturszene erfreuen, ohne eines gegen das andere auszuspielen. Wo wir den Mut haben, Altes zu entsorgen und Neues neugierig zu beginnen.

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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strasi (4.410 Kommentare)
am 14.02.2016 11:37

Die Sicht eines Kreativen!
Ja es gibt erheblichen Reformbedarf, der allerdings nicht so ausschauen kann, dass
es die "DIE ES SICH PERSÖNLICH WIRTSCHAFTLICH UND GESELLSCHAFTLICH
AUF IHREM NIVEAU RICHTEN KÖNNEN" frei sein wollen von staatlichen
Strukturen, die im Zusammenleben der gesamten Bevölkerung notwendig sind.
Und machte vielleicht die Straßenmeisterei #Manderl in Litzlberg?

Mit dem Dirigentenstab lässt sich ein Orchester aber sicherlich nicht ein Staat,
vor dem nach der Verfassung alle Bürger gleich sind, dirigieren.

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hannerl (350 Kommentare)
am 13.02.2016 13:16

Passt nicht ganz zusammen, das Plädoyer für "mehr Freiheit für die Lernenden" und das, was der hauptsächliche Bekanntenkreis des Herrn Welser-Möst (Ärzte, Lehrer, Wirtschaftstreibende) so fordert und meint: Geld für Bildung nur dort, wo die Wirtschaft davon profitiert; Diskreditierung jener, die "Freiheit für die Lernenden" einfordern als Bummelstudenten und Sozialschmarotzer.
Eigeninitative in Ehren, aber wieviele junge Menschen haben das Zeug und vor allem die Kohle dazu (braucht man sich nur die Insolvenzstatistik der Ein-Mann-/Frau-Unternehmen anschauen).
Und zur der Neiddebatte: gerade die (politischen) Vertreter der "Wirtschaft" schüren diese Neiddebatte ganz erheblich (Wirtschaftskammer; Industriellenvereinigung: denen ist das Kultur- und Sozialbudget zu hoch, die wollen sich selbst an der Staatskasse bedienen und schreien dennoch "mehr privat - weniger Staat"; ÖVP/FPÖ)

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