Zwei Oberösterreicher begeisterten in Graz
Diagonale: Preise für sozialkritische Werke von Gregor Schmidinger und Sebastian Brameshuber.
Die Diagonale ist das Schaufenster des heimischen Kinos. Zwei Regisseure aus Oberösterreich nutzten das gestern in Graz endende Filmfest, um Werke darzureichen, die für den Willen der jüngeren Filmemacher im Land stehen: Menschen vom Rand werden in die Mitte geholt, atmosphärisch dicht, ästhetisch ausgereift, mit Haltung, aber ohne Holzhammer. Bei der Österreich-Premiere von Gregor Schmidinger (33) aus Zwettl an der Rodl schoben sich die Besucher massenweise ins Kino, um seinen Film "Nevrland" zu sehen, der sich den seelischen wie körperlichen Wachstumsschmerzen von Jakob (17) widmet. Das Werk wurde in Graz für sein Drehbuch (7000 Euro) prämiert.
Kein "Problemkino"
Schmidinger führte seinen Hauptdarsteller Simon Frühwirth (18) zum Schauspiel-Preis. Frühwirth spielt den schwulen Jakob, den das bestimmt, was ihm fehlt: eine Mutter, ein weniger überforderter Vater (Josef Hader) und die Erlösung von Panikattacken. Schmidinger hat kein Problem, öffentlich zu machen, dass er an den gleichen Erkrankungen litt wie sein Protagonist. "Es ist kaum zu glauben, wie viele Menschen mir nach dem Film sagen, dass sie das auch hatten und wie authentisch es dargestellt ist." "Problemkino" ist "Nevrland" trotzdem nicht. Schmidinger, der Drehbuch an der UCLA (USA) studiert hat, vereint darin das Phantastische, das Romantische "der Traumfabrik" wie das Sozialkritische des rot-weiß-roten Kinos. "Fantasie wird gegen Realität ausgespielt. Warum auch nicht? Fantasie gehört zur Identität eines jeden Menschen." Unbeeindruckt von Konventionen wirkte auch Sebastian Brameshuber (38), als der Gmundner bei seiner übervollen Österreich-Premiere von "Die Bewegung eines nahen Berges" (Kamerapreis für Klemens Hufnagl) sagte: "Der Film ist langsam, also relaxt." Es war eine schöne Langsamkeit, die in die Welt von Cliff zog. Der Nigerianer nimmt nahe dem Erzberg in einer offenen Halle alte Auto aus, verkauft Alteisen nach Afrika. Er baut sein Leben aus dem, was für andere Schrott ist. Ein Kreislauf, den Brameshuber auch gekonnt ins Stottern bringt. "Diese Brüche sind Anregungen, sich zu fragen: Was sehe ich hier überhaupt? Wie stehe ich dazu?" So wurde dieser Film, gestern erst beim Pariser Dokumentar-Fest ausgezeichnet, wie Schmidingers, zum idealen Bauteil für die Maschinerie, die die Diagonale-Chefs aus Oberösterreich, Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger, gestartet hatten: eine, deren Protagonisten verhindern, dass ein Ballast des Unbesprochenen das Land beschwert, und daran erinnern, dass es noch lange nicht gut ist mit den sozialen Gefällen, den Frauen, den Fliehenden. Letzteres bewiesen besonders die in Graz als bester Spiel- und bester Dokumentarfilm ausgezeichneten Produktionen: Nathalie Borgers "The Remains" und Sara Fattahis "Chaos".