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Zugleich erleuchtet und verblendet

26. Jänner 2019, 00:04 Uhr
Zugleich erleuchtet und verblendet
Schriftsteller John Wray

Der US-Autor mit familiären Wurzeln in Friesach lässt in einem außergewöhnlichen Buch eine 18-jährige Amerikanerin in den Dschihad ziehen

"Gotteskind"

Eine junge US-Amerikanerin wird zum Gotteskrieger. Sie reist von Kalifornien nach Pakistan und wechselt dort ihre Identität. Als Koranstudent zeigt sie sich ebenso eifrig wie gelehrig, doch ihr Ziel ist es, nach Afghanistan zu gehen und dort gegen die Ungläubigen zu kämpfen.

Wir schreiben die Zeit vor dem "War on Terror". Nur deswegen gelingt es der 18-jährigen Aden Grace Sawyer, an der Seite eines aus Pakistan stammenden Freundes Kalifornien hinter sich zu lassen, um in einer Medrese in Peschawar den Islam zu studieren. Die westliche Lebensweise ihres Vaters, eines säkular orientierten Professors für Islamstudien, und ihrer in den Alkoholismus abdriftenden Mutter stößt sie ab. Ist ihr tiefer Glauben vorwiegend Rebellion eines Teenagers? Orientierungssuche in einer sinnentleerten Konsumwelt? Davon erzählt "Gotteskind" nur wenig. Und doch: Die größte Faszination dieses Buches geht gerade von seinen Leerstellen aus.

Der auf Englisch schreibende US-Autor mit österreichischen Wurzeln konzentriert sich auf die Beschreibung äußerer Ereignisse und maßt sich nicht an, über das Innenleben seiner Figuren Bescheid zu wissen. Das macht aus "Gotteskind" ein Buch, das man aufgrund der Gefährlichkeit des Abenteuers, auf das sich Aden einlässt, mit zunehmender Spannung liest, das einem aber die eigene Gedankenarbeit nicht abnimmt. Im Gegenteil.

Natürlich kann die junge Frau in Pakistan trotz ihres fließenden Hocharabisch ihre Vorhaben nicht als Frau umsetzen. Also wird sie zu "Suleyman", der als strahlender Jüngling dennoch die begehrlichen oder misstrauischen Blicke auf sich zieht. Ist er ein "Tanzjunge", dazu ausgewählt, den Kriegern zum Vergnügen und Zeitvertreib zur Verfügung zu stehen? Ist er ein "bacha posh", ein als Bub erzogenes Mädchen in einer Familie ohne männliche Nachkommen? Ist er ein amerikanischer Spion oder doch ein Beweis für Gottes Größe, ein göttlicher Fingerzeig, direkt aus dem Land des Feindes? Diese Fragen werden Suleyman auch gestellt und vor ihm diskutiert. Was sie in Aden wirklich verändern, bleibt im Dunkeln.

Der Vergleich zwischen Erwartung und Erfüllung, der Unterschied zwischen Erleuchtung und Verblendung ist nicht Wrays Thema. Der Kontrast zwischen dem theoretischen und hell strahlenden Wunsch, dem als einzig erkannten Gott bestmöglich zu dienen, und der grausamen Realität des in seinem Namen geführten Krieges steht nicht im Zentrum der literarischen Anstrengung. Man macht als Leser zwar gemeinsam mit der Protagonistin Bekanntschaft mit der Frauenverachtung der Taliban, mit den Drohnenangriffen der Amerikaner, ja sogar mit 9/11, aber man wird das Gefühl nicht los, es gehe um etwas anderes.

John Wray ist ein glänzender Erzähler und Beschreiber. Aber er ist kein Verräter. Er lässt seiner Heldin ihr Geheimnis, auch als das augenscheinlichste, nämlich ihr Frausein, enttarnt wird. Und er verrät nicht, wie oder ob sie ihren Weg zurück findet. "Gotteskind" ist ein Buch, das man schnell liest – und lange nicht vergisst. (whl)

John Wray: "Gotteskind", übersetzt von Bernhard Robben, Rowohlt, 344 Seiten, 23,70 Euro

Zugleich erleuchtet und verblendet
Ich bin mit Menschen zusammen, die für mich sterben würden, und an meinen besten Tagen, dann, wenn ich keine Angst habe, weiß ich, ich täte es auch für sie."Auszug aus "Gotteskind"

 

Ein Kunstwerk der Infografik

Ein Wirtschaftsbuch, und zwar eines, das endlich auch latente Interessenten und Anfänger der Lehre der Ökonomie gleichsam fesselt. Die Süddeutsche-Zeitung-Edition hat ein herausragendes Standardwerk des Wirtschaftsexperten Thomas Ramge und des Grafikers Jan Schwochow aus dem Jahr 2016 neu aufgelegt. In 111 durchwegs außergewöhnlichen Infografiken werden die Mechanismen der Betriebs-, Volks- und Weltwirtschaft, stets unter Einbeziehung des Menschen, verständlich und ohne lange, komplizierte Erörterungen erklärt.

Die beiden Macher dieses prächtigen Wirtschaftsatlas haben lange nachgedacht. Ihr Ansinnen war: "Viele Leute interessieren sich für Wirtschaft, allein, es fehlt oft eine Idee, wie man diesen Menschen den Zugang zum Thema erleichtern kann", sagt Thomas Ramge. Eine Vision, die voll aufgegangen ist: Jede Infografik ist ein kleines Kunstwerk. Auf ausladenden Doppelseiten entlädt sich opulentes Fachwissen, etwa über den "Lohn des Lebens", den "Weg zum Kauf", den Firmenstandort (dargestellt in Form des Mikrokosmos im VW-Werk in Wolfsburg) und das weltweite Jeansgeschäft, das für sich schon spannend wie ein Krimi ist.

Weltwirtschaftliche Tops wie die Boeing 737, der Big Mac und Pampers werden Flops wie dem ISDN-Bildtelefon der Deutschen Telekom und dem Sony-Hundroboter gegenübergestellt.

Äußerst informativ sind auch Wertschöpfungsvergleiche, wenn etwa der Frage nachgegangen wird, wer wie viel an einer Banane verdient, wer an einem Dreamliner, wer am iPhone. Auch dem Thema Nachhaltigkeit wird ein großes Kapitel gewidmet. Einziges kleines Manko dieses Wirtschafts-Nachschlagewerkes: Manche Infografik schießt in Form und Umfang einfach über das Ziel hinaus. (att)

Thomas Ramge, Jan Schwochow: "Wirtschaft verstehen mit Infografiken", SZ-Edition, 238 Seiten, 48 Euro

 

Standardwerk über die Dinos

 

Steve Brusatte, US-Paläontologe und Evolutionsbiologe, interessierte sich von Kindesbeinen an für die untergegangene Welt (Ausnahme Vögel!) der Saurier. Er hat selbst zehn Spezies entdeckt. Mit seinem mitreißend geschriebenen Buch hat er ein neues Standardwerk geschaffen. (but)

Steve Brusatte, „Aufstieg und Fall der Dinosaurier“: Piper-Verlag, 416 Seiten, 24,70 Euro

Die Schattenseite der Schokolade

 

Ein Koch, zwei Frauen, Diamanten und Schokolade. Was wie ein gefährliches Geflecht klingt, ist auch eines. Allein der Luxemburger Koch Xavier Kieffer kann es aufdröseln. Gut gekochter Krimi mit kulinarischen Einsprengseln, der leider nicht an Hillenbrands tolle SF (z. B. „Hologrammatica“) herankommt. (but)

Tom Hillenbrand, „Bittere Schokolade“: KiWi-Verlag 480 S., 11,40 €

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